Sommer der Gaukler

Warten auf Mozart

Dörfler und Künstler im produktiven Austausch

Weltentheater" - mehr als zweihundert Jahre vor dem Beginn der Globalisierung träumt der Dichter und Theaterprinzipal Emanuel Schikaneder von einer irgendwie großen, grenzüberschreitenden Kunst. Für seine vage Vision möchte er diesen jungen Komponisten Mozart gewinnen, von dem zur Zeit - wir schreiben das Jahr 1780 - so viel gesprochen wird.

Allerdings scheitern Schikaneder und seine Schauspieltruppe schon an der nächstbesten Grenze, werden an den Toren der ehrwürdigen Bischofsstadt Salzburg abgewiesen und müssen in einem bayerischen Dorf Quartier beziehen. Aber auch da gibt es Theater. Ganz echtes sogar.

Die Bergleute rebellieren gerade gegen den knickrigen Minenbesitzer Paccoli, der kein Geld für gutes Stützholz ausgeben will und seine Männer in ungenügend gesicherte Stollen schickt. Der leutselige Allgäuer Bergmann Georg Vester stolpert unversehens in den Tumult und wird gegen seinen Willen zum Rädelsführer des Streiks. Dass er sich ausgerechnet soeben in Babette verliebt hat, die - was Vester nicht ahnt - die Tochter des Minenbesitzers ist, führt zu ausgedehnten romantisch-revolutionären Verwicklungen.

Für einen Dichter wie Schikaneder ist die Reality Show im Dorf natürlich eine willkommene Inspiration, zumal auch seine Schauspieler langsam zu rebellieren beginnen, weil die Gage ausbleibt. Und so beginnt der Theatermann, wenn er sich nicht gerade unter Frauenröcken und Wirtshaustischen vergnügt, ein Stück über den Bergrebellen zu schreiben, bei dessen Aufführung sich Dichtung und Wirklichkeit zu einem explosiven Gemisch verbinden.

Der bayerische Regie-Tausendsassa Marcus H. Rosenmüller (Wer früher stirbt ist länger tot / Sommer in Orange) hat sich Robert Hültners historischen Roman Der Sommer der Gaukler vorgenommen und daraus eine stürmische Historienburleske entwickelt, die in das frühe Leben des Emanuel Schikaneder reist, der elf Jahre später mit dem Libretto für Mozarts "Zauberflöte" ewigen Ruhm erntete.

Max von Thun spielt den umtriebigen Dichter als Schelmenfigur, die den Umbruch der dörflichen Machtstrukturen genauso befeuert, wie er sich in die romantischen Turbulenzen stürzt.

Seinen Charme entwickelt der Film dadurch, dass hier piekfeines Barock mit hemdsärmeliger Dörflichkeit vermischt und die Steifheit des Kostümfilms durch eine wilde Stilmischung aufgebrochen wird.

Vom revolutionären Arbeiterepos über rotwangige Romanzen und Sommernachtstraumfantasien bis hin zu Musicalelementen und einem "Bergarbeiter-Blues" werden die Genreversatzstücke miteinander verquirlt und zu einem keineswegs tiefgründigen, aber stimmigen und quicklebendigen Historienspektakel angerichtet.

Martin Schwickert

D 2011 R: Marcus H. Rosenmüller B: Robert Hültner, Klaus Wolfertstetter K: Stefan Biebl D: Max von Thun, Lisa Maria Potthoff, Nicholas Ofczarek