Song für Marion

Schwanengesang

Terence Stamp singt für Vanessa Redgrave

Keiner geht so durch die Straßen wie Terence Stamp. Trotz des großen, fast schon schlaksigen Körpers liegt immer eine Unbeirrbarkeit in seinem Schritt. Der britische Schauspieler, der schon für William Wyler, Federico Fellini, Pier Paolo Pasolini, Stephen Frears und Steven Soderbergh vor der Kamera stand, ist ein Urgestein des Independent-Kinos und hat mit jetzt 74 Jahren eines dieser stilvoll verwitterten Gesichter, die eine seltsame Faszination ausstrahlen.

In Paul Andrew Williams Song für Marion spielt er den bärbeißigen Rentner Arthur, der sich mit fürsorglicher Strenge um seine krebskranke Frau Marion (Vanessa Redgrave) kümmert. Jede Woche bringt er sie zum Gemeindezentrum, wo Elisabeth (Gemma Arterton) einen Seniorenchor leitet, in dem keine Volkslieder, sondern Songs wie Gnarls Barkleys "Crazy" oder "Let's Talk about Sex" von Salt'n Peppa auf den Programm stehen. Während drinnen die Alten abrocken, steht Arthur vor der Tür und raucht. Für ihn ist klar, dass sich die singenden Greise nur lächerlich machen.

"Pommes und Eiscreme" verordnet die Ärztin Marion, als die Metastasen erneut wuchern und keine Therapie ihr Leben mehr retten kann. Während Arthur angesichts der Diagnose verbittert, legt Marion all ihre Lebensenergie in den Gesang. Durch ihren Solo-Song qualifiziert sich der Chor für einen Wettbewerb, aber vor dem Finale in der großen Stadt stirbt Marion. Arthur schließt sich in seiner Trauer ein und bricht auch den Kontakt zum Sohn (Christopher Eccleston) ab. Aber dann versucht Elisabeth ihn zu überreden, dass er Marions Stelle im Seniorenchor einnimmt.

Unübersehbar ist Paul Andrew Williams Song für Marion an dem Dokumentarfilm Young@Heart orientiert, der einen gefeierten Altenchor aus Northhampton, Massachusetts, auf seiner Welttournee begleitete. Williams beschwört die Kraft der Musik, die gerade im Angesicht des nahenden Todes ihre heilende Wirkung auf die Seele entfalten kann. Das wird hier nicht ohne Sentiment vermittelt, aber die britische Form der Rührseligkeit lässt sich deutlich besser ertragen als die Tränendrüsenformate aus Hollywood. Aber auch wenn Williams die anschwellenden Emotionen immer wieder mit trockenem, englischem Humor abgeschmeckt, werden im Finale, wenn Arthur mit zarter Stimme sein Lied für die verstorbene Liebe singt, alle Schleusentore geöffnet.

Terence Stamp schaut man jede Minute gerne zu, auch wenn er es verdient hätte, dass das Drehbuch die Rolle des alten Grantlers etwas differenzierter und brüchiger angelegt hätte. Die Wandlung des verhärteten Mannes bleibt eine äußerst vorhersehbare Angelegenheit, dabei wäre ein Mann wie Stamp immer noch für eine Überraschung gut.

Martin Schwickert

Song for Marion GB 2012 93 min R&B: Paul Andrew Williams K: Carlos Catalan D: Terence Stamp, Vanessa Redgrave, Gemma Arterton