»SONNENALLEE«

Lachen im Osten

Junge Liebe, alte Probleme.

Die Sonnenallee stand emblematisch für die Teilung Berlins. Die Mauer trennte das kurze Ostende vom langen Westteil der Strasse, ein Grenzübergang diente als Kanal der Bewegung. Schriftsteller Thomas Brussig und Theaterwunderkind Leander Haussmann münzen die groteske Fussnote der Geschichte in eine überdrehte Burleske um - sozusagen der Film zum Grenzstreifen. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Abiturient Micha (Alexander Scheer) mitsamt sozialem Umfeld. Er wohnt direkt im Grenzgebiet und durchlebt gerade die Dramatiken aller Jugendlichen: erste Liebe, Parties, Illusionen. Micha ringt um die Strassenschöne Miriam (Teresa Weißbach), aber auch um einen Studienplatz und Musik aus dem Westen.
Popmusik stellt bei Haussmann und Brussig das stärkste Leitmotiv dar. Der Film beginnt mit der Aufnahme eines Rolling-Stones-Titels und endet mit einer imaginären Revolte, hervorgerufen durch eine herbeigewünschte Stones-Platte. Die Suche nach der richtigen Musik übersetzt sich für Micha und seine Kumpels als Suche nach der eigenen Nische.
Die beiden Ost-Filmemacher schicken ihre Helden auf eine berührend-witzige Reise in die Welt der Erwachsenen und der damit verbundenen Reglements. Sie vermeiden dabei einen moralischen Tenor, ihr Blick ist frei von Trübsal. Aus eigener Erfahrung weiss das Autorenduo, dass das Leben im Osten kein permanentes Zähneknirschen bedeutete. Im Gegenteil: An den Reibungspunkten zwischen Obrigkeit und Volkes Begehren entstehen wunderbar komischen Momente. Welche List die Familie von Micha aufbringt, um endlich den heissersehnten Telefonanschluss zu ergattern, gehört zu den köstlichsten Detailbearbeitungen deutscher Nachkriegsgeschichte. Die Authentizität des burlesken Treibens durchdringt jede Szene. Mit viel Liebe haben sich Kostüm- und Set-Designer zu einer trashigen DDR Ende der 70er aufgeschwungen. Der Grenzstreifen wurde in Babelsberg für ein paar Millionen Mark nachgebaut und soll fürderhin anderen Filmen als Kulisse dienen.
Der Film reiht sich in die Tradition von Werken wie Wir können auch anders und Das Leben ist eine Baustelle . Von Buck (der auch im Film mitspielt) hat das Autorendoppel trockenen Witz abgeguckt, von Becker die Tragik im Komischen. Dazu kommen so frische, talentierte Schauspieler wie Scheer und Co, pointierte Dialoge und der coolste Discotanz, den eine DDR-Schuldisco wohl je erlebt hat.

Ulf Lippitz