SPACE TOURISTS

Erinnerungen an die Zukunft

In Kasachstan liegt der Weltraumfriedhof der Menschheit

Weil die Russen am liebsten alles geheim halten wollten, bauten sie ihren Bahnhof ins All mitten in die kasachische Steppe hinein: Baikonur hieß der Ort, den niemand ohne Genehmigung betreten durfte, und der heute aussieht wie eine Endzeitlandschaft aus einer vergessenen Welt: Gebäude mit zugemauerten Fenstern, Industrieruinen, deren Stahlgerippe in den Himmel ragen, überwachsene Gleise für Transportzüge, die nur noch selten fahren. Ganz ist die Arbeit in Baikonur nicht beendet. Für den kommerziellen Betrieb wird ein Restprogramm aufrechterhalten. Von Baikonur aus werden Satelliten ins All geschossen. Und Touristen. Die amerikanische Iranerin Anousheh Ansari ist eine von ihnen. Für 20 Millionen Dollar hat sie sich den Traum erfüllt, als erste Touristin zur Weltraumstation ISS zu fliegen. Auch ihre Bilder, die sie dort an Bord während ihrer acht Tage Aufenthalt gedreht hat, baute der Schweizer Dokumentarfilmer Christian Frei in seine Footage-Dokumentation Space Tourists ein.

Alles in Baikonur und der Kosmonautenstadt Swojosdny Godorok atmet den Optimismus der 50er. Die futuristische Architektur mit ihren Ornamenten der Zuversicht (jede Menge Skulpturen und Denkmäler portraitieren ernste Menschen, den Blick ins All gerichtet) steht heute einsam und leer in der Steppe. Frei untermalt diese Bilder mit der wehmütigen Musik des norwegischen Jazz-Saxophonisten Jan Garbarek, und lässt sie erklären von dem "Magnum"-Fotografen Jonas Bendiksen, der sich seit Jahren mit dem Thema befasst.

Aus den hohen Träumen von einst ist ein Refugium für freundliche Freaks geworden. Wir sehen die Arbeit der Schrottsammler, die mit ihren LKW in die kasachische Steppe hinausfahren und das Altmetall aufsammeln, das vom Himmel fällt: Die abgesprengten Raketenstufen landen mitten im Nirgendwo oder fallen in entlegenen Dörfern mitten auf den Marktplatz. Die Bewohner decken mit dem wertvollen Altmetall ihre Dächer, die Schrottsammler schneiden die riesigen Brennstufen auseinander und verladen sie. Frei hat sie auf einem ihrer mehrtägigen Trips in die Steppe begleitet und dabei ein Abenteuer irgendwo zwischen Mad Max und Hatari gesehen.

Und dann sehen wir den rumänischen Bastler Dumitru Popescu, der an einem Konzept für kommerziellen Weltraumtourismus arbeitet. Im Moment lässt er nur seltsame Gebilde in den Himmel steigen, die nicht richtig fliegen. Aber der Traum der Menschheit, sich über ihren Planeten zu erheben, fing immer so an, wurde vorangetrieben von Menschen mit Mut zum Bizarren. Frei hat ihnen ein wunderschönes Denkmal geschenkt.

Thomas Friedrich

CH 2009 R & B: Christian Frei K: Peter Indergand