Spieglein, Spieglein

Meine Geschichte

Nach den TV-Hits »Grimm« und »Once Upon A Time« kommen die Märchenneudeutungen aus den USA jetzt auch ins Kino

Das ist meine Geschichte, nicht ihre!" stellt die böse Königin gleich zu Beginn aus dem Off fest, und eigentlich war dieser Perspektivwechsel schon lange überfällig. OK, Schneewittchen hatte immer die bessere Haut (weiß wie Schnee), das schönere Haar (schwarz wie Ebenholz) und die volleren Lippen (rot wie Blut), war aber im Grimmschen Märchenkontext auch eine echte Langweilerin. Mehr so der Opfertyp mit Putzfimmel und Prinzenrettungsgarantie. Da ist die eifersüchtige und hintertriebene Stiefmutter schon ein ganz anderes Kaliber. Erst recht, wenn sie, wie in Tarsem Singhs Schneewittchen-Remix von Julia Roberts gespielt wird - als echte Diva mit enormen Gewändern, einer rasiermesserscharfen Zunge und einem zutiefst bösartigen Verstand. So schön kann Bosheit sein.

Die Story ist in groben Zügen bekannt, erfährt hier aber im Detail einige Abweichungen. Die Zwerge sind keine harmlosen Bergarbeiter (und auch keine Männerselbsterfahrungsgruppe), sondern ein erfahrenes Waldräuberkollektiv, das mit Stelzen und modernen Kampfkunsttechniken die Forstwege unsicher macht, und Schneewittchen (Lily Collins) in die Grundzüge der Selbstverteidigung einweiht. Auf die Apfelvergiftung, den gläsernen Sarg und die Wiederbelebung durch den Prinzen wurde verzichtet zugunsten einer jungen Heldin, die lernt, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Die Anpassung Schneewittchens ans Lara Croft-Zeitalter gelingt dem Film überraschend entspannt, genauso wie der fantasievolle, aber unaufdringliche Einsatz digitaler Effekte bei der Erschaffung der Märchenwelten.

Martin Schwickert

Mirror, Mirror USA 2012 R: Tarsem Singh B: Melissa Wallack, Jason Keller K: Brendan Galvin D: Julia Roberts, Lily Collins, Armie Hammer