DIE SPIELWÜTIGEN


Harte Arbeit

Beobachtungen an vier Schauspiel-Azubis

Den einen schießen die Tränen in die Augen, die anderen fallen sich kreischend in die Arme. Wieder andere starren paralysiert auf die Auslegware. Sie gehören zu den dreißig Auserkorenen, die aus der Masse von 1000 Bewerbern einen Studienplatz an der Berliner Schauspielschule "Ernst Busch" ergattern konnten. In der Art der Freude liegt auch schon ein Funken Eigeninszenierung. Man kann sich vorstellen, wer später auf der Bühne die tragische Figur, den ernsten Helden oder die exaltierte Diva geben wird.
Vier Schauspielschüler - Prod, Constanze, Karina und Stephanie - begleitet der Dokumentarfilmer Andres Veiel (Blackbox BRD) sieben Jahre lang von der Aufnahmeprüfung bis zu ihren ersten Engagements. Dabei studiert er die Wirkungsgesetze im Machtapparat der Schule ebenso genau wie die persönlichen Reifungsprozesse der Schüler.
Die Berliner Schauspielschule "Ernst Busch", anfang des 20. Jahrhunderts von Max Reinhardt gegründet, ist ein angesehenes Traditionsunternehmen.. Die Qualität der Ausbildung und der Ruf des Unternehmens garantieren auch heute noch fast allen Absolventen Engagements an den wichtigsten deutschsprachigen Bühnen. Aber Qualität hat ihren Preis. Im Studium geht es darum die Schüler zu formen. Oder vielleicht eher, wie es Prod fragend formuliert, darum sie zu "brechen"?
Andres Veiel verlässt nie die parteiliche Perspektive der Schüler. Die Institution und die Lehrer bleiben diffuse Machtfaktoren, die die Schüler immer wieder an ihre Grenzen treiben. Trotzdem vermittelt der Film auch die Faszination des Berufes und etwas von der Besessenheit, mit der die Schüler die Schauspielerei betreiben. Veiel gelingt es, dass einem die Vier mit all ihren Schwächen und Ambitionen ans Herz wachsen.
Die Veränderungen, die die Protagonisten in den sieben Jahren vor der Kamera durchlaufen sind enorm. Die Spielwütigen wirkt wie ein Zeitraffer des Erwachsenwerdens. Veiel zeigt die Kräfte, die in diesem Prozess wirken, und die Verluste, die er fordert. In dieser dokumentarischen Langzeitstudie verbindet sich der analytische Blick stets mit einem aufrichtigen Interesse an den Menschen vor der Kamera, die Offenbarungen bereit halten, wie man sie nur im Dokumentarfilm erleben kann.

Martin Schwickert
D 2004 R: Andres Veiel D: Constanze Becker, Karina Plachetka, Stephanie Stremler, Prodromos Antoniadis