SPLICE

Monsterchen

Ein origineller kleiner SF-Horrorfilm über die Grenzen der Gen-Forschung

Ein ganzes Filmgenre spannt sich seit James Whales Frankenstein (1931) um die Liaison von Wahn und Wissenschaft und erhält nun mit Vincenzo Natalis Splice auf erfrischend eigentümliche Weise Nachwuchs. Elsa (Sarah Polley) und Clive (Adrien Brody) experimentieren in einem gentechnischen Labor mit der Kombination von tierischem Erbgut. Ihr erster Erfolg ist ein unförmiges, aber lebens- und fortpflanzungsfähiges Zwitterwesen, das für ein Pharmaunternehmen ein Protein produzieren soll, mit dem man Alzheimer zu heilen hofft. Tag und Nacht verbringt das Paar im Labor, und auch zu Hause werden zwischen Bestellpizza und Liebemachen die neuesten Testergebnisse diskutiert. Elsa will die Versuche weitertreiben und menschliches Erbmaterial mit dem des Gen-Tech-Lebewesens kreuzen. Aber der Auftraggeber fürchtet die schlechten Schlagzeilen ethischer Debatten und zieht die Finanzierungsbremse.

Gegen Clives Einwände und hinter dem Rücken des Unternehmens experimentiert Elsa weiter und aus der künstlichen Gebärmutter springt wenig später eine Mischung aus Kaninchen, Vogel, Reptil und Mensch. Clive will die biotechnische Schöpfung nach dem Auswerten der Ergebnisse mortal entsorgen. Aber in Elsa, die sich dem Kinderwunsch ihres Lebensgefährten lange widersetzt hat, erwachen plötzlich mütterliche Gefühle für das agile, menschenähnliche Wesen, in dessen Schwanzende ein giftiger Skorpion-Stachel eingelassen ist. Heimlich ziehen die Ersatzeltern das schnell heranwachsende Mutantenbaby groß, verstecken es zunächst im Labor, später im Firmenkeller und schließlich auf der verlassenen Farm von Elsas Mutter, wo sich die junge Wissenschaftlerin mit der eigenen, verdrängten Kindheit konfrontiert sieht.

Genauso wie das Wesen, das von einer Schauspielerin dargestellt und mit digitalen Applikationen aufgerüstet wird, ist auch der Film selbst ein seltsam anmutender Genre-Hybrid. Horror- und Fantasy-Elemente, B-Movie-Charme und intellektueller Diskurs, psychoanalytische Fallstudie und digitale Effekteinlagen verbinden sich hier zu einem äußerst originellen, intelligenten und humorvollen Science Fiction-Werk. Dabei ist der kanadische Regisseur Natali, der hier auf den Spuren seines Landsmannes David Cronenberg wandelt, sichtlich darum bemüht, sich mit einem ordentlichen Schmuddel-Look und einem ganz gegenwärtigen Setting von Hollywoods blitzblanken Hi-Tech-Visionen abzugrenzen.

Ohnehin treten hier die Effekte weit hinter die Entwicklung der Figuren und die Erkundung des fragilen Beziehungsdreiecks zwischen Mann, Frau und Monster zurück. Obwohl Splice nicht mit ausgetüftelten Plotwendungen protzt, scheint in diesem Film zu jeder Zeit alles möglich zu sein - eine kreative Offenheit und produktive Verunsicherung, wie man sie im Kino nur noch selten zu spüren bekommt.

Martin Schwickert

CAN/F/USA 2009 R&B: Vincenzo Natali K: Tetsuo Nagata D: Adrien Brody, Sarah Polley, Delphine Chaneac