STOLZ UND VORURTEIL

Rotwangig
Eine Literaturverfilmung mit Charme

Nun denn" - mit zwei kleinen, dahingeworfenen Worten finden die Seelenqualen ein Ende. Im Hintergrund geht sogar die Sonne auf und taucht das Paar in weißgoldenes Licht. Das haben die beiden sich redlich verdient. Denn es ist ein langer, verschlungener Weg, bis sich Elisabeth (Keira Knightley) und Mr.Darcy (Matthew Macfadyen) ihre gegenseitige Zuneigung bekunden können. Es galt Missverständnisse auszuräumen, soziale Schranken und jenes kommunikative Unvermögen zu überwinden, das zwischen Männern und Frauen nicht nur im England des 18.Jahrhunderts herrscht.
Stolz und Vorurteil ist der beliebteste Roman von Jane Austen, deren Werk in zyklischen Abständen immer wieder für die Leinwand adaptiert wird. Die Geschichte einer schlecht betuchten Upper-Middle-Class-Familie, die fünf Töchter unter die Haube bringen muss, wurde zuerst 1940 von Robert Z. Leonard in einen reifberockten Hollywood-Kostümfilm verwandelt. Freimütig gesteht Regisseur Joe Wright ein, das Buch zuvor nie gelesen zu haben. Erst als er das Drehbuch von Deborah Moggach studierte, begann ihn die Geschichte zu interessieren. Wrights gelungene Version von Stolz und Vorurteil verliert sich jedenfalls weder im historischen Dekor, noch versucht er den Stoff krampfhaft zu modernisieren. Wright konzentriert sich auf den Kern: dem Widerspruch zwischen großen Emotionen und gesellschaftlichen Konventionen, der Suche nach einer romantischen Liebe und dem Pragmatismus einer guten Partie.
Die Erstbegegnung zwischen Darcy und Elisabeth bei einem Dorfball scheint alles andere als vielversprechend. Stocksteif steht der arrogante Gutsbesitzer am Rande der Veranstaltung und bezeichnet Elisabeth gegenüber seinem Freund Bingley (Simon Woods) als gerade noch annehmbar. Als Elisabeth die Bemerkung aufschnappt und das Kompliment wenig später formvollendet zurückgibt, gerät der zugeknöpfte Darcy in die Defensive. Aber so sehr die Beteiligten ihre gegenseitige Abneigung beteuern - die Nahaufnahmen und Blickkonstruktionen der Kamera erzählen eine andere Geschichte. Wright gelingt es bestens, die zuweilen grotesken Diskrepanz zwischen Gefühltem und Gesagtem ins Bild zu setzen, ohne dabei in die Karikatur abzurutschen. Matthew Macfadyen legt seinen Darcy als unfreiwillig versteinerten Edelmann an, bei dem Überheblichkeit und Unsicherheit ineinander verschwimmen. Aber der unbestrittene Schatz der Filmes ist Keira Knightley. In Fluch der Karibik wurde die junge Schauspielerin eher als feminines Dekor eingesetzt. Auf dem schwierigen Terrain einer Klassiker-Verfilmung kann sie nun ihr wirkliches Talent beweisen. Rotwangige Naivität und nassforsche Schlagfertigkeit, romantische Verträumtheit und lebensnaher Pragmatismus, jugendliche Ungeduld und damenhafte Contenance sind in Knightleys Darstellung nur einen Atemzug voneinander entfernt.
Anders als in vorangegangenen Austen-Verfilmungen wird die Heldin nicht für eine feministisches Up-Date rekrutiert. Vielmehr konzentriert sich der Film mit sanfter Ironie und filmischer Brillanz auf die Vermittlung der emotionalen Zerwürfnisse im England des ausgehenden 18.Jahrhunderts, als die Idee der romantischen Liebe gerade erst erfunden war und gegen den Pragmatismus der gesellschaftlichen Verhältnisse antrat.

Martin Schwickert
Pride and Predjudice GB 2005 R: Joe Wright B: Deborah Moggach K: Roman Osin D: Keira Knightley, Matthew Macfadyen, Claudie Blakley