STONED

Hip und tot

Eine eigenwillige Biografie über den eigenwilligen Stones-Gitarristen Brian Jones

Um einen Rockmusiker zur Legende oder Ikone werden zu lassen, dafür reichen vielleicht ein wenig musikalisches Genie und ein guter Image-Berater. Zum Mythos hingegen wird er erst durch einen frühen, unnatürlichen Tod, der möglichst auch noch Raum für Spekulationen offen lässt.
Als Brian Jones in der Nacht zum 3. Juli 1969 leblos in seinem Swimming-Pool auf seinem Landsitz in Sussex trieb, da wirkte dieser Tod des exzentrischen Rolling-Stones-Gitarristen so bizarr als hätte ihn die Boulevard-Presse eigenhändig in Szene gesetzt.
Der attestierte Unfall durch Ertrinken nach Alkohol- und Drogenkonsum wurde in den darauf folgenden Jahrzehnten immer wieder in Frage gestellt. Schließlich hatten sich Mick Jagger und Keith Richards kurz zuvor von dem Rhythmus-Gitarristen getrennt und hatten damit einen Paradigmen-Wechsel in der Bandgeschichte eingeleitet: weg von den markigen Revoluzzerposen hin zu einer hochprofessionellen, weltmarktgerechten Rockband. Jones war im Paralleluniversum von Sex, Drugs & Rockn Roll hängen geblieben und wurde zum Sinnbild für die tragischen Folgen des hedonistischen Lebensstils.
Über zehn Jahre hat der Neil Jordan-Produzent Stephen Woolley an dem Stoff für sein Regiedebüt gearbeitet. In Stoned beschreibt er die letzten Wochen im Leben von Jones und legt eine These über dessen Tod vor, die der offiziellen Version deutlich widerspricht. Zumeist mit einem mondänem Morgenmantel bekleidet residiert Jones (Leo Gregory) auf seinem malerischen Landsitz in Sussex. Der Tourmanager der Stones Tom Keylock (David Morrissey) vermittelt ihm den Bauunternehmer Frank Thorogood (Paddy Considine), der offiziell einige Umbauarbeiten am Anwesen vornehmen, aber hauptsächlich ein Auge auf den durchgeknallten Musiker haben soll.
Der geerdete Mittelstandsunternehmer gerät schon bald in die Einfluss-Sphäre des charismatischen Rockstars und zwischen den beiden entsteht eine ungleiche Freundschaft. An einem Tag ist Thorogood der gute Kumpel, der zu freizügigen Saufgelagen mit barbusigen Damen eingeladen wird. Wenig später wird Frank in die Küche geschickt, um das Mittagessen zuzubereiten.
Die Mordtheorie, die Woolley vertritt, ist nicht neu. Sie wurde zuletzt etwa von Terry Rawling in Who Killed Christopher Robin? entwickelt. Aber Woolley ist klug genug, seinen Film nicht allein auf die kriminalistische Lösung des Falles Jones aufzubauen. Woolley und sein Hauptdarsteller Leo Gregory zeichnen ein differenziertes Bild des egozentrischen, sadistischen, charismatischen und dauerbedröhnten Rockstars, das durch Rückblenden in die Vergangenheit zu einer Biografie ausgebaut wird. Sujetgerecht werden diese Exkurse in Kindheit, Bandhistorie und Fantasiegespinste des Klienten als Bilderrausch in Szene gesetzt.
Diese LSD-Dramaturgie wirkt meist etwas gekünstelt und wird optisch keineswegs zufriedenstellend aufgelöst. Vielleicht hätte sich Woolley stärker auf die Beziehung zwischen Jones und Thorogood konzentrieren sollen. In dem Psychodrama zwischen dem Rockstar und dem Bauarbeiter steckt eine weitaus größere Kraft als in dem hippen Zeitgeistporträt der 60er-Jahre, an dem sich Stoned wenig erfolgreich versucht.

Martin Schwickert

GB 2005 R: Stephen Woolley B: Neal Purvis, Robert Wade K: John Mathieson D: Leo Gregory, Paddy Considine, David Morrissey