SUSPECT ZERO


Blendwerk

Jetzt kommt der Mörder-Mörder

Serienkiller haben, zumindest im Kino, ein Muster, nach dem sich ihr tödliches Handeln bestimmt. Der Entwicklung solcher Muster verschreiben sich Heerscharen von Drehbuchautoren in Hollywood, die wiederum FBI-Agenten erfinden, die im Verein mit dem Publikum an der Dechiffrierung der mörderischen Handschrift arbeiten. Deren Aufdeckung ist der Kern eines jeden Serienkiller-Thrillers, weil die Plotkonstrukteure hier mit Stolz ihre neuen psychopathischen Erfindungen präsentieren. Besonders clever kommen sich die Skript-Autoren von Suspect Zero, Zak Penn und Billy Ray, vor. Denn sie haben einen Serienkiller entworfen, dessen Muster es ist, kein Muster zu haben. Keine Untat gleicht der anderen, deshalb bleibt sein serielles Morden als solches unentdeckt. Aber damit nicht genug: Penn und Ray hetzen diesem sogenannten "Suspect Zero" wiederum einen Serienkiller auf den Hals, der sich auf die Liquidierung seiner Berufskollegen spezialisiert hat.
Ben Kingsley spielt den Serienmördermörder, der selbst einmal im Dienste des FBI stand und mit übernatürlichen, seherischen Fähigkeiten seinen Opfertätern auf die Spur kommt. Kingsleys Benjamin O'Ryan ist eine gequälte Existenz, das Böse hat seine telepathischen Nachrichtenkanäle ausgerechnet durch seinen Kopf verlegt. Er sieht die Verbrechen, bevor sie passieren.
O'Ryan sucht und findet einen Verbündeten in einem anderen Migräne-Patienten, dem FBI-Agenten Thomas Mackelway (Aaron Eckhart). Seit seiner Zwangsversetzung nach New Mexico frisst Mackelway Aspirin wie andere Leute Kartoffelchips. Gemeinsam mit seiner Kollegin und Ex-Geliebten Fran Kulok (Carrie-Anne "Matrix" Moss) folgt er der Spur, die O'Ryan mit seinen Mordtaten und zahlreichen erläuternden Faxsendungen legt.
In seinem Inszenierungsstil wandelt E. Elias Merhige deutlich auf den Spuren von Finchers seven. Das Drehbuch mit seiner kruden Mixtur aus Genrebausteinen, selbstverliebter Doppelbödigkeit und esoterischen Ausschmückungen, taugt nicht viel. Das hat wohl auch Merhige gemerkt und den Stoff mit einer atmosphärisch dichten Textur überzogen. Zahlen, Zeichen und Zeichnungen werden schnell gegeneinander geschnitten, pittoreske Landschaftsaufnahmen und Alptraumvisionen, Realität und Wahnvorstellungen übereinander gelegt. Wenn die Kamera hinabsteigt in O'Ryans Kellerdomizil, dann wird das als Reise in den Kopf des Wahnsinnigen in Szene gesetzt. Suspect Zero ist von seiner visuellen Kraft und den soliden Schauspielerleistungen her ein gelungenes Blendwerk, dessen innere Leere und mangelnde Plausibilität erst nach dem Verlassen des Kinos zu schmerzen beginnt.

Martin Schwickert
USA 2004 R: E. Elias Merhige B: Zak Penn and Billy Ray K: Michael Chapman D: Aaron Eckhart, Ben Kingsley, Carrie-Anne Moss