»SUZIE WASHINGTON«

Allein unter Bauern

Man schlägt sich durch ...

Eine Frau leidet, und wir leiden mit ihr. Allerdings nicht wegen der Geschichte - obwohl: ohne Paß als osteuropäische Ausländerin im Salzkammergut festzuhängen ist wahrlich kein Zuckerschlecken - sondern der lausigen Kameraführung, dem schlechten Ton, der zum Schreien öden Handlung und einer absolut lustlosen und leeren Hauptdarstellerin, der TV-gestählten Birgit Doll, "einer der wenigen österreichischen Weltstars", wie der Rezensent des "Berliner Kurier", wohl leicht angeheitert, schrieb.
Überhaupt die lieben Presse-Kollegen. Deren Wertung reichte von "satirisch" (taz) bis "kleines Meisterwerk" (Neues Deutschland), und wie so oft frage ich mich, ob ich im falschen Film bin? Florian Flickers 2 Millionen DM teure 87 Minuten optisches Elend (dafür kann man immerhin zwei "Star Trek"-Folgen drehen ...) verweigert jede Spannung, jede Überraschung, jeden Humor und jede Ernsthaftigkeit. Dafür tut er so, als ginge es ihm um das Schicksal von Flüchtlingen. "Man kommt ins Grübeln über den Wert eines Menschen ohne Paß", schrieb der Kollege von "TV Movie", der offensichtlich keine Zeitung liest. "Man beginnt zu begreifen, daß kein Buch auf der Welt so wichtig ist wie der richtige Paß", schreibt Hannes Hintermeier für die "Münchner Abendzeitung", der doch lieber ein Buch statt seines Passes hätte lesen sollen. Der Berliner "Tip" ließ durch Robert Weixlbaumer verkünden: "Verismus und genregerechte Fiktion reiben sich da produktiv aneinander", was man sich gar nicht erst vorstellen möchte. Begeistert schreibt die Berliner "Zitty": "Nirgendwo reckt sich der moralische Zeigefinger!", was irgendwie positiv sein muß. Und Anke Westphal von der "Berliner Zeitung" quälte sich und ihre Leser mit Fragen - und Antworten: "Was bewirkt so ein Film? Soll er aufklären, will er belehren, Mitgefühl wecken? Das könnte dieser Film auch, macht er aber seltsamerweise und Gottseidank nicht. Das liegt an der wundervollen Hauptdarstellerin und ihren dunklen Augen ..." - alles klar?
Die ganze dumme Bande der Kulturschnorrer wird nur zitiert, weil der Film genau so ist wie die, die ihn loben: dumm, langweilig, halbgebildet und verharmlosend. Das schlimmste, was sich diese Pupsbubis und Wohlstandsmädels vorstellen können, ist, daß einem als Flüchtling die Reisetasche mit Geld und Papieren geklaut wird - und dann keine Reisegepäckversicherung!
Die besten Geschichten glaubt einem keiner: Nach der Ansicht von Suzie Washington knurrte ich meiner Lebensabschnittspartnerin zu: "Dieser Film hat bestimmt die Goldene Sauklaue beim Festival in Bietigheim-West gewonnen!" - tatsächlich, belehrte mich das Presseheft später, war's der "Hauptpreis der Diagonale in Graz". Man kann gar nicht wachsam genug sein.

Victor Lachner