Tage am Strand

Kleine Affären

Robin Wright und Naomi Watts als Mütter mit Lust

Sie sind wie Götter!" - die beiden Mütter, die am Strand sitzen, können es kaum fassen, dass die zwei jungen, schönen, athletischen Männer, die draußen auf ihren Surfbrettern in den Wellen toben, die Söhne sind, die sie großgezogen haben. Lil (Naomi Watts) und Roz (Robin Wright) sind seit ihrer Kindheit beste Freundinnen. Ihre Häuser sind nur wenige Meter voneinander entfernt und die Türen stets offen. Genau wie die Mütter verbindet auch die Söhne Ian (Xavier Samuel) und Tom (James Frecheville) eine tiefe Vertrautheit aus Kindertagen. Wenn Mütter und Söhne abends beim Essen zusammensitzen, ist das ein Bild vollkommen entspannter Harmonie, die aus der Balance zu geraten droht, als Roz sich auf eine Affäre mit Lils Sohn einlässt und dessen Freund seinerseits mit Lil anbändelt.

Mit Tage am Strand verfilmt die französische Regisseurin Anne Fontaine (Coco Chanel) eine Kurzgeschichte von Doris Lessing, deren Setting sie in eine paradiesische, sonnendurchflutete Bucht an der australischen Ostküste verlegt hat. Was zunächst wie ein gefälliges Postkartenmotiv anmutet, ist der notwendige Nährboden für einen moralfreien Raum, in dem das sich überschneidende Beziehungsgeflecht zwischen Müttern und Söhnen verhandelt wird.

Im Zentrum steht die unumstößliche Freundschaft der beiden Frauen. Naomi Watts und Robin Wright gelingt es hervorragend, diese tiefe Seelenverwandtschaft darzustellen, ohne die Konturen der Charaktere zu verwischen. Denn auch wenn die Grenzüberschreitung im Einklang miteinander vollzogen wird, gehen die beiden Frauen, als es darum geht die jungen Liebhaber wieder loszulassen, verschiedene Wege. Von den gegenseitigen emotionalen Abhängigkeiten, die aus der Vierecksbeziehung erwachsen, erzählt Fontaine auf eine ebenso analytische wie sinnliche Weise. Immer wieder kehrt der Film zurück zum Meer und zur Badeinsel, zu der die Vier in wechselnden Konstellationen hinausschwimmen.

Wenn sie am Ende der dramatischen Entwicklungen dort wieder in vermeintlicher Harmonie nebeneinander in der Sonne liegen, ist das ein wunderbares Schlussbild von perfekter, schmerzender Ambivalenz.

Martin Schwickert

Two Mothers F/Australien 2013 R: Anne Fontaine B: Christopher Hampton K: Christophe Beaucarne D: Naomi Watts, Robin Wright, Xavier Samuel, James Frecheville