96 Hours - Taken 2

Die Herrschaft des Testosteron

Liam Neesson darf wieder hinlangen

Mit 96 Stunden hatten sich der französische Produzent Luc Besson und sein Regisseur Pierre Morel erfolgreich beim amerikanischen Publikum angebiedert. Ungehemmt wurden in dem Rachefeldzug eines aufrechten CIA-Agenten gegen albanische Menschenhändler alle europhoben Klischees bedient.

Die Rechnung ging auf: Die Geschichte des Amerikaners, der seine Tochter aus den Fängen brutaler Finsterlinge befreite und dabei keine Gefangenen machte, spielte 226 Millionen Dollar ein. Nun schlüpft Liam Neeson erneut in die Rolle des ehemaligen Geheimdienstlers, der seine Kampf- und Spionagefertigkeiten einsetzt, um seine Familie zu retten.

Statt Paris bietet jetzt Istanbul einen weitaus illusteren Hintergrund für das Actionspektakel. Dorthin hat der ehemalige CIA-Mann Bryan Mills seine erwachsene Tochter Kim (Maggie Grace) und Ex-Frau Lenore (Famke Janssen) eingeladen, in der Hoffnung, die zerrütteten Familienverhältnisse wieder neu verlöten zu können. Aber der Versöhnungsurlaub wird empfindlich gestört, als der albanische Mafia-Pate Murad am Bosporus auftaucht, dessen Verwandtschaft Mills bei der Befreiung seiner Tochter damals in Paris stark dezimiert hat. Murad will Rache für seinen verstorbenen Sohn und entführt den Widersacher samt ehemaliger Ehefrau, um sie möglichst qualvoll sterben zu lassen. Nur Tochter Kim kann entkommen und mit fernmündlichen Einweisungen durch den Agentenpapa gelingt es ihr diesen ein paar Handgranatenwürfe später wieder zu befreien. Mit vereinten Kräften versuchen nun Vater und Tochter die Freilassung der Mutter zu erwirken.

War der erste Teil von einer geradezu erschütternden reaktionären Einfältigkeit durchdrungen, wurde im Sequel kräftig nachjustiert. Die Figuren kommen weniger schematisch daher. Liam Neesons läuft nicht mehr nur ausschließlich im beinharten Rettermodus herum, sondern darf auch noch ein bisschen väterliche Herzenswärme verbreiten, bevor die Ballerei losgeht. Auch die Rolle der Tochter wurde über den wehrlosen Opferstatus hinaus ausgebaut, um die Alleinherrschaft des Testosterons aufzulockern. Sogar der Bösewicht wird als Figur halbwegs differenziert ausgeleuchtet.

Verglichen mit dem ruppigen visuellen Stil des Vorläufers wirken die Actionszenen im Nachfolgewerk deutlich geschmeidiger und das Arsenal der geheimdienstlichen Fertigkeiten des Helden geht hier über das bloße Abmurksen hinaus. Die Messlatte des ersten Teils, der nur auf der Klaviatur der Primärinstinkte spielte, hing in diesem Fall so tief, dass im Sequel nur besser werden konnte.

Martin Schwickert

Taken 2 F 2012 R: Olivier Megaton B: Luc Besson, Robert Mark Kamen K: Romain Lacourbas D: Liam Neeson, Maggie Grace, Famke Janssen