THE CALL - LEG NICHT AUF!

Die Verbindung

Halle Barry telefoniert mit Mörder und Opfer

Das willst du nicht sehen.", sagt nach etwa einer Stunde der böse Mann zu dem gefangenen Mädchen, als es sich mal kurz losreißen konnte und ins Nebenzimmer flüchtete. Mit schreckgeweiteten Augen wird sie zur Salzsäule, und Regisseur Brad Anderson achtet streng darauf, dass wir nicht ein Fitzelchen von dem sehen, was da dräut. Auch als der Böse sein Opfer wieder einfängt und noch mal kurz wohlgefällig über das unsichtbare Grauen blickt, sehen wir nichts, hören wir nur: "Ich hab´s dir doch gesagt. Das willst du nicht sehen." Wir wissen nichts, wir ahnen alles und krallen uns im Kino am Nachbarn fest.

Seit fast einer Stunde schon, denn The Call setzt von Anfang an sehr effizient auf Unterinformation. Nur mit knappster Charakterisierung lernen wir die Hautperson kennen, Jordan, die in der Notrufzentrale der Polizei arbeitet. Eigentlich ist sie sehr routiniert, kommt gut damit klar, von allen Missständen in der Stadt nur am Telefon zu hören und die Fachleute an den Einsatzort zu dirigieren. Ab dann patzt sie beim verzweifelten Notruf eines Mädchens, das im eigenen Haus überfallen wird. Jordan hört nur noch den Täter zuschlagen, dann legt er auf. Tage später findet die Polizei die Leiche und Jordan hat ihr Trauma weg, das sie im Rest des Films bearbeiten wird.

Denn obwohl Jordan den Frontdienst am Hörer aufgibt und lieber nur noch ausbildet, muss sie natürlich wieder ran, als jemand ein Mädchen entführt, es in den Kofferraum seines Autos sperrt, und so laut Radio hört, dass er gar nicht mitkriegt, wie sein Opfer mit dem Notruf telefoniert.

Es folgt der handwerklich versierteste Teil. Ständig wechseln wir zwischen Notrufzentrale und Kofferraum, probieren alle möglichen Tricks aus, um die Entführte zu finden, das Auto zu identifizieren, die Umwelt aufmerksam zu machen. Das einfache Konzept funktioniert, die Panik wird immer größer, je mehr Rettungsversuche scheitern. Und längst schon fragt niemand mehr, wie plausibel das eigentlich alles ist.

Erst am Ende wird es dann doch zu holprig. Damit die Hauptperson den Showdown nicht auch noch nur am Telefon erleben muss, steigt Jordan selbst ins Auto und eilt zur Rettung herbei. Und entdeckt auf dem Weg dahin mal eben das Trauma, das den äußerst brutalen Entführer schon seit Jahren zu Gräueln treibt. Haut die Gefangene in letzter Sekunde raus, was in solchen Filmen sonst immer der nette Freund machen muss. Und dann entscheiden sich Retterin und Gerettete für ein ziemlich ungewöhnliches Ende, das völlig auf einen Anruf bei der Polizei verzichtet.

Als Schluss-Schock eines Serienkiller-Finales geht das in Ordnung, aber für so viel abweichenden Charakter hätten Halle Berry als Jordan und Abigail Breslin als das Mädchen im Kofferraum vorher doch etwas mehr Persönlichkeit haben müssen.

Wing

The Call. USA 2013. R: Brad Anderson B: Richard D'Ovidio K: Tom Yatsko D: Halle Berry, Morris Chestnut, Abigail Breslin, Michael Eklund.