THE MISSING


Dunkler Falke

Cate Blanchett spielt John Wayne

Apachen erzählen sich gern bei einem guten Schluck Mescal die Story von dem Mann, der Frau und Kinder verließ, um einen Falken zu jagen. Nie kam er zurück, starb in der Fremde und erklärte später im Himmel, der Falke sei einfach immer weiter geflogen. Hrrm, Kneipenphilosophie.
In Ron Howards erstem Western muß Tommy Lee Jones dem Falken folgen. Cate Blanchett geht dafür den Weg John Waynes. Anfangs nämlich hasst sie Indianer. Die Mutter zweier Töchter schmeisst alleinerziehend eine Farm, verdient sich als Heilerin etwas dazu und sitzt im ersten Bild des Films erschöpft auf einem Plumpsklo. Ein starker Anfang. In schnellen Szenen werden wichtige Neben-Themen eingeführt: Cate ist glühende Christin, die ältere Tochter (Evan Rachel Wood) will weg zum modernen Leben in der Stadt, die jüngere (Jenna Boyd, toll) ist ein toughes Herzchen, der nette Freund der Mutter (Aaron Eckhardt) darf nur zu ihr kommen, wenn die Kinder nichts mitkriegen. Das Leben ist schwierig 1886. Dann kommt Tommy Lee schweigsam vorbeigeritten, ein weißer Indianer, der sich als Cates Vater entpuppt. Sie hasst ihn noch immer, weil er sie vor 20 Jahren verließ.
Dann entführen böse Indianer die ältere Tochter, und nur der mißratene Vater kann die Spur aufnehmen. Denn die Kavallerie, angeführt vom schön schurkisch geschminkten Val Kilmer, hat andernorts damit zu tun, die Indianer in ihren Reservaten abzuschlachten, verlassene Farmen zu plündern oder gefangene Terroristen nach Guantanamo zu deportieren ... äähh, Quatsch, nach Florida.
Umgekehrt sind die Terroristen zwar Indianer, angeführt von einem hässlich-horrorhaften Schamanen (Eric Schweig), haben aber auch viel Hilfe von weißen Ekeln. Überdeutlich wehren sich da Reste einer religiösen Kultur gegen moderne Raffkes ohne Ehrgefühl. Überdeutlich verraten sie aber zugleich den Endkampf der Entrechteten, weil sie auch die Waffen des "wertelosen" Gegners benutzen. Neben Zauberei und Wüstenkniffen nämlich sogar einen Photoapparat.
Die gestörte Familie auf Heilungs-Mission besiegt im Gegenzug ihre Vorurteile, gerade weil sie "Werte" hoch hält, wo die Apparate versagen (die Regierung ebenso wie ein Fernglas etwa). Einmal muß sich sogar die fanatische Christin indianisch geistheilen lassen. Erst dann ist sie reif, ihre Tochter zu retten. Das gönnen wir ihr ja, das haben wir bei Howard auch nicht anders erwartet, aber der Zwang zur Familienzusammenführung (immerhin: ohne Männer, Tommy folgt seinem Falken) verrät die erstaunlichen Ansätze zu einem modernen Spätwestern an längst überholten Kitsch. Und selbst das halbherzig. Bezeichnend: es gibt kein starkes Schlussbild, The Missing hört einfach auf.
Ron Howard wollte ausdrücklich die Geschichte einer Heilung erzählen. Das misslang, weil er gar nicht bemerkte, wie daraus eine Geschichte der amerikanischen Krankheit hätte werden können. Die dauert an.

WING
USA 2003 R: Ron Howard B: Ken Kaufman K: Salvatore Totino D: Cate Blanchett, Tommy Lee Jones, Evan Rachel Wood, Jenna Boyd, Eric Schweig, Aaron Eckhardt, Val Killmer