Thor

Wo hängt der Hammer?

Kenneth Branagh inszeniert Marvels Superhelden mit englischer Ironie

Dunkle Wolken ziehen auf über dem Himmel von New Mexico. Grünes Wetterleuchten flimmert. Donner rollt heran, gefolgt von einem Kometenschweif, der sich mit rasender Geschwindigkeit auf die Erde zu bewegt. Von Superman bis zum Terminator sind schon einige Kinohelden vom Himmel gefallen, aber der Leinwandauftritt des Donnergottes Thor (Chris Hemsworth) ist eine wahrhaft spektakuläre Angelegenheit. Die unsanfte Erdung des Göttlichen ist das Ergebnis eines handfesten Familienstreits. Papa Odin hat den törichten Sohn aus Asgard ans andere Ende des Universums verbannt, nachdem der Hitzkopf fast einen Krieg mit den Eiskristallkriegern aus Jotunheim entfacht hätte.

Was einen Mann wie Kenneth Branagh, der sich bisher vor allem mit seinen Shakespeare-Verfilmungen profiliert hat, an diesem Stoff interessiert, ist schon nach wenigen Filmminuten klar. Denn die hochdramatischen Konflikte am Hofe von Asgard stehen der Streitkultur in englischen oder dänischen Königshäusern in nichts nach. Wenn Anthony Hopkins als Odin den geliebten Sohn verstößt, hält das ganze Universum den Atem an, während der ewig eifersüchtige Bruder Loki (Tom Hiddleston) als Widergänger Jagos für das tragische Intrigenpotenzial sorgt. Dennoch würde das nordische Götterdrama nicht funktionieren, wenn der Film nicht den Weg zu unserem bescheidenen irdischen Dasein finden würde.

Anders als die Helden im Marvel-Universum verliert Thor mit der Landung im amerikanischen Wüstensand all seine göttliche Kraft und sieht sich mit der Profanität der menschlichen Existenz konfrontiert. Nicht einmal seinen Hammer kann er aus dem Gestein lösen, in das sich die brachiale Wunderwaffe eingeschmolzen hat. Das männliche Unvermögen wird mit anschwellenden Orchesterklängen als grausame Impotenzfantasie ins gleißende Scheinwerferlicht gerückt. Theatrale Momente wie diese inszeniert Branagh mit sichtbarem Genuss und schmeckt die dramatische Wucht mit einer feinen Prise Ironie ab.

Schon bald findet der Göttersohn Trost bei der schönen Astrophysikerin Jane (Natalie Portman), deren Interesse an dem Außerirdischen weit über die wissenschaftliche Erforschung hinausgeht. Auch hier arbeitet Branagh keineswegs ironiefrei mit präzise dosierten Momenten romantischer Überhöhung.

Die Balance zwischen Drama und Spektakel, mythischer Überhöhung und feiner Ironie gelingt Branagh überraschend leichtfüßig und rettet das riskante Vorhaben vor dem Untergang in der Superhelden-Bierernsthaftigkeit.

Martin Schwickert

USA 2011 R: Kernneth Branagh B: Ashley Miller, Zack Stentz, Don Payne K: Haris Zambarloukos D: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Tom Hiddleston, Anthony Hopkins