TIERISCH WILD

Geklaute Zootiere

Ein Fall für den Staatsanwalt: Keine Raubkopie, aber viele geklaute Ideen

Der kleine Zoo-Löwe Ryan reißt nach einem Streit mit seinem Erziehungsberechtigten aus, versteckt sich in einem Schiffscontainer, der ihn geradewegs nach Afrika bringt. Der alleinerziehende Vater Samson macht sich auf, um den verlorenen Sohn zu finden. Begleitet wird er dabei von einer zickigen Giraffe, einem schlagfertigen Koalabär, einer transusigen Anakonda und einem Eichhörnchen, das sich unstandesgemäß in die elegante Langbeinerin verliebt hat. Dass der finstere Gnu-König Kazar den kleinen Löwen entführt und die Gegend wegen eines nahenden Vulkanausbruches evakuiert werden soll, setzt eine relativ zusammenhanglose Kette von Abenteuern in Gang. Wie so oft im gegenwärtigen Kinderkino ist für Action gesorgt, ohne dass dafür eine sinnstiftende Geschichte erzählt werden muss.
Es ist schon eine Leistung, einen solchen Trickfilm ohne eine einzige eigene Idee zusammenzustellen. Das Handlungsgerüst ist Madagaskar entliehen, das Grundmotiv des alleinerziehenden Vaters auf der Suche nach dem verlorenen Sohn aus Findet Nemo. Die Anakonda ist ein Klon der klassischen Dschungelbuchschlange, und Kazars düsterer Höhlenpalast erinnert allzu deutlich an die unwirtliche Heimstatt der Orks in Herr der Ringe.
Man fragt sich schon, warum die Filmindustrie härtere Strafen gegen Raubkopierer fordert, wenn das kreative Download in den Drehbuchstuben der Studios so hemmungslos betrieben werden kann.
Wenig erfrischend wirkt auch die visuelle Gestaltung. Zwar sind die Bewegungen stimmig und flüssig animiert, aber die Figuren selbst sehen aus, als hätte man sie aus der Stofftierabteilung eines Kaufhauses ausgeliehen - wo sie wahrscheinlich in wenigen Wochen in hoher Stückzahl zum Merchandising bereit liegen.

Martin Schwickert

The Wild. USA 2006 R: Steve Williams B: Ed Decter, John Strauss, Mark Gibson, Philip Halprin