DER TIGER UND DER SCHNEE

Zappeln im Irak

Roberto Benigni will wieder einen "Oscar" - und dreht deshalb »Das Leben ist schön« nochmal.

Eine Komödie im KZ spielen zu lassen - das hatten sich nicht einmal Ernst Lubitsch und Charlie Chaplin getraut. Benigni wurde damals für diesen ziemlich verlogenen Kitsch mit dem Oscar ausgezeichnet - und hat seitdem kein Bein mehr auf den Boden bekommen. Sein letzter Film Pinocchio war nicht nur in finanzieller Hinsicht ein Desaster.
Den manisch herumzappelnden Kindmann, Markenzeichen für Benignis Komödienverständnis, mochte man einfach nicht mehr sehen. Lange hat Benigni überlegt, wie er wieder an den Erfolg von Das Leben ist schön anknüpfen kann. Damals diente der Holocaust als Kontrast, um den überschwänglichen, alles hinweg schwemmenden Optimismus seines Helden herauszuarbeiten. Aber was kann danach noch kommen? Der Krieg im Irak ist vielleicht mit Zweitem Weltkrieg und nationalsozialistischem Völkermord nicht zu vergleichen. Aber dafür hat er einen gewissen Aktualitätsbonus, und mittlerweile scheint ja die ganze Welt diesem Krieg skeptisch gegenüber zu stehen.
In diesen Konsens hinein pflanzt Benigni seinen Film, der auch Das Leben ist schön - auch im Irak oder La vita é bella - Reloaded heißen könnte. Der naive Buchhändler des Originals mutiert hier zum etwas weltfremden Poeten Attilio, der nachts im Traum immer wieder die selbe Frau heiratet, die im echten Leben jedoch nichts von ihm wissen will. Als Vittoria (Nicoletta Braschi) einem irakischen Dichter (Jean Reno) nach Bagdad folgt, wird sie beim Beginn des amerikanischen Bombardements verletzt und fällt ins Koma. Natürlich macht sich Attilio sofort auf, um seiner ohnmächtigen Angebeteten beizustehen. Mit einem UN-Hilfstransport schleicht er sich ins Kriegsgebiet ein, lässt sich von Bombenangriffen und Straßensperren nicht aufhalten, bis er an Vittorias Krankenbett steht. Es fehlt an den notwendigen Medikamenten, und so reitet der romantische Held immer wieder hinaus in die umkämpfte Stadt, setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um das Leben seiner Liebe zu retten.
Benignis Versuch, seine Figur aus Das Leben ist schön als cineastischen Archetypus (à la Charlie Chaplin) zu etablierten, scheitert auf ganzer Linie. Erneut spielt er hier den naiven Helden, der mit unkaputtbarem Optimismus die mörderischen Verhältnisse um ihn herum ignoriert. In Das Leben ist schön war die Kraft der Verleugnung für den Schutz der Seele des kleinen Sohnes im KZ eine zwingende Notwendigkeit. In Der Tiger und der Schnee degeneriert diese Kraft zu einem faden, romantischen Märchengemälde, das den Krieg im Irak nur benutzt, um die sentimentalen Effekte zu verstärken.

Martin Schwickert

La tigre e la neve I 2005 R&B: Roberto Benigni K: Fabio Cianchetti D: Roberto Benigni, Nicoletta Braschi, Jean Reno