»TOPLESS WOMEN TALK ABOUT THEIR LIVES«

Blues mit 20

Liebesleben in Neuseeland

Topless Women talk about their Lives ist eigentlich der Titel eines Films, von dem man glücklicherweise in diesem Film wenig zu sehen bekommt. Ein verstört dreinblickender junger Mann aus Auckland/Neuseeland namens Anthony (Ian Hughes) hat hierzu das Drehbuch geschrieben. Irgendein deutscher Regisseur hat es dann tatsächlich verfilmt. Deutscher Originaltitel Frauen ohne Hemden erzählen ihre Lebensläufe - und genau das ist auch zu sehen. Klingt beknackt, ist auch beknackt - das finden selbst die Freunde, die Anthony zur Premiere geladen hat. Nur will es ihm niemand sagen. Als der debile Drehbuchautor dennoch die Wahrheit erfährt, durchlebt er eine ausgedehnte Sinn- und Vertrauenskrise, und seine Paranoia führt zu einem sehr drastischen Messerstich in einen Frauenbauch.
Nein, Topless Women talk about their Lives von dem neuseeländischen Regisseur Harry Sinclair ist weder ein Softporno noch einer dieser neumodischen Metzgerfilme, vielmehr eine Twentysomething-Komödie, in der sich, ähnlich wie in Liebe und andere Katastrophen , die neuseeländische Generation X selbst aufs Korn nimmt. In hübsch schmuddeliger Low-Budget-Ästhetik zeichnet Sinclair das Porträt einer Gruppe von jungen Leuten, die verzweifelt versuchen, das Chaos ihres Lebens in geordnete Bahnen zu lenken. Liz (Danielle Cormack) ist so etwas wie die Hauptfigur des Films, und sie ist schwanger. Den Termin für die Abtreibung hat sie um eine Woche verschlafen, und mit der Zwangsmutterschaft fangen die Probleme erst an. Am gleichen Tag verliert sie ihren Job, und dann gibt es auch noch diese wenig vertrauenerweckende Auswahl an möglichen Vätern. Da ist zunächst Geoff, mit dem sie die letzten Tage und Nächte im Bett verbracht hat. Geoff bringt sich zwar gerade das Stricken bei, hat aber schon eine feste Freundin und ist überhaupt ein ziemlicher Widerling. Neil, Liz' aktuellste Ex-Beziehung, ist auch nicht besser. Wenn wir ihn das erste Mal auf der Leinwand erblicken, schüttelt es uns vor Entsetzen. Im Verlauf des Films gewinnt der Knabe jedoch an Format, und Liz versucht während ihrer Schwangerschaft so etwas wie eine entsexualisierte Zweckehe mit Neil. Liz' beste Freundin Prue (Willa O'Neill) ist auch schwanger und total verliebt in Mike (Shimpal Celisi), den sie auf der Insel Niue mit viel Blumen und blauem Meer heiratet, um sich dann wieder völlig mit ihm zu verkrachen. Der Film hält noch einige andere komplexe Verwicklungen bereit, die hier nicht nur aus Platzmangel unerwähnt bleiben sollen. Am Ende steht auf jeden Fall die drastischste Geburtszene der Filmgeschichte in einer veterinärmedizinischen Praxis zwischen Hundezwingern und Meerschweinkäfigen.
Überhaupt ist drastisch das Wort, mit dem man die deftige Komik dieses Films wohl am besten umschrieben hat. Topless Women talk about their Lives ist ein Film, der vor nichts halt zu machen scheint - respektlos, wie sich das für einen jungen Film gehört, und mit all seiner Holprigkeit sehr nahe am echten Leben gebaut. Gedreht wurde an Wochenenden mit der Handkamera, ohne festes Drehbuch, im Freundeskreis und in den eigenen unaufgeräumten Wohnungen. Die realen mischen sich mit den erfundenen Skurrilitäten, und hinter dem trockenen Humor wird in Zwischentönen leise der Blues einer verlorenen und ein wenig verzweifelten Generation deutlich, die in den 90ern erwachsen werden muß.

Martin Schwickert