DIE TRÄNEN MEINER MUTTER

Flocken zu Weihnachten

Ein warmes, melancholisches Debüt aus dem Exil

Fabian Busch wandert ziellos durch Buenos Aires und mag nicht seinen Vater besuchen, der da im Sterben liegt. Ein alter Streit liegt noch im Weg, aber auch genug Erinnerung, um darüber zu gehen. Voice Over, ein gewagter Kamerasturz und schon sind wir in Berlin, Jahrzehnte früher.

Aus Fabian Busch wird Adrian Gössel, ein Teenager. Mit seinen Eltern kam er aus Argentinien ins Exil, um der dort herrschenden Militärjunta zu entgehen. Irgdendwie geriet die Familie in eine leerstehende Fabrik und richtete sich mit einem bunten Häuflein Dropouts ein Boheme-Leben ein.

Dort entfaltet sich in meist warmen Bildern ein humorvolles Zaubermärchen über Fremdheit und Freundschaft. Alle Figuren sind leicht schräg und tragen in ihrer Unterschiedlichkeit zum Glück und zur Tragikomik im Abstellwinkel bei. Ein halbblinder Regisseur arbeitet als Krankenpfleger für einen behinderten alten Mann, ein schüchterner Fotograf macht Schwarzweiß-Aufnahmen von idyllischen Momenten, ein netter Weiberheld scheint Aids zu kriegen, eine Punk-Mieze gibt dem Jungen seinen ersten Kuss. Ach ja, die Achtziger waren wohl ein Wunderland, in dem der Junge entdeckt, dass er Gegenstände allein mit seinem Willen bewegen kann. Allerdings nur, wenn niemand zusieht.

Zu dieser Zeit ist Alejandro Cardenas-Amelios Debütfilm ein Traum, eine Art "Fanny und Alexander als Hausbesetzer". Es wimmelt von magischen Episoden. Einmal finden die Versprengten einen Filmprojektor und veranstalten WG-Abende mit "Nosferatu" oder dem "Blauen Engel". Später drehen sie sogar lustige Horrorkurzfilme, und es fällt fast gar nicht auf, dass Cardenas-Amelios hier eher prätentiös als historisch korrekt ist.

Leider kommt der Kommune die Wirklichkeit dazwischen. Die Mutter des Jungen wird als Journalistin erfolgreich, der Vater als Arbeitsloser grantig, und das Kind sitzt traurig unterm Tisch und hört hilflos dem Streit der Eltern zu. Der Vater geht fremd und schließlich zurück nach Argentinien, als dort wieder freie Wahlen möglich sind. Der Junge bleibt in Berlin und besucht Jahrzehnte später dann doch seinen Vater, mit dem er sich eigentlich endgültig zerstritten hatte.

Das berührt durchaus, aber leider ist die Geschichte da längst in der Atmosphäre untergegangen. Umgekehrt hängen die zauberhaften Episoden meistens ziellos in der Luft. Etwa so wie die Schneeflocken, die der junge Alejandro, denn es handelt sich um eine Art Autobiographie des Regisseurs, einmal für eine Freundin herbeiwünscht, damit Weihnachten in Berlin weiß wird. Süß.

Wing

D/Arg 2008 R & B: Alejandro Cardenas-Amelio B: Cuini Amelio, Christoph Silber K: Florian Schilling D: Adrian Gössel, Erica Rivas, Rafael Ferro