Trance

Ein seltsamer Coup

Danny Boyle entwirft fürs Kino erneut eine fantastische Welt: Eine Reise ins Hirn

Ebenda liegt eine Erinnerung begraben, die geschätzte 25 Millionen britische Pfund wert ist. Das Gehirn gehört Kunstauktionator Simon (James McAvoy), der sich mit einer Bande von Kriminellen verbündet hat, um Goyas berühmtes Gemälde "Flug der Hexen" zu stehlen.

Bei dem sorgfältig geplanten Coup hält sich Simon nicht ganz an die Verabredung. Mit der Folge, dass das wertvolle Kunstwerk ebenso verschwindet wie Simons Erinnerung, nachdem Gangsterboss Franck (Vincent Cassel) ihn im Eifer des Gefechtes bewusstlos geschlagen hat. Natürlich glauben die Mobster dem unzuverlässigen Komplizen kein Wort und wenden ihre bewährten Methoden an, um das Geheimnis zu entlocken. Aber auch der schmerzhafte Verlust einiger Fingernägel kann das lädierte Gedächtnis nicht kurieren. Deshalb wird Simon zu einer Hypnosetherapeutin geschickt, die die kostbare Erinnerung aus dem Unterbewusstsein befördern soll.

Das ist der Ausgangspunkt für ein kunstvoll gefertigtes Plotlabyrinth, durch das Boyle seine Hauptfiguren und die Kinozuschauer treibt. Was als Gangsterstory mit einem klassischen Coup beginnt, wandelt sich zu einem psychologischen Verwirrspiel, das tief hinein ins Spiegelkabinett unkontrollierter Emotionen und verdrängter Erinnerungen führt. Dabei spielt der Film nicht nur mit den unbewussten Strategien des Vergessens, sondern auch mit den Identifikationsbedürfnissen des Publikums, das seine Loyalitäten zu den Figuren mehrfach umdefinieren muss. Trance ist einer der Filme, für die man sich nach Verlassen des Saales gleich wieder an der Kasse anstellen will, weil er gezielt über das Wahrnehmungsvermögen hinausgeht. Aber nicht nur für Plotentschlüsselungsfans ist Trance ein Fest. Auch auf der visuellen Ebene entfesselt der Film mit ruhloser Kamera, hochdynamischem Schnitt und vielschichtigen Bildkompositionen eine ungeheure Sogwirkung. Hervorragend auch das Ensemble: James McAvoy ist ideal besetzt als unzuverlässige Identifikationsfigur und Rosario Dawson ist schlichtweg hinreißend in der Rolle der Hypnotiseurin, die die Gangsterkerle genauso wie das Kinopublikum mit ihrer enormen Präsenz in Trance versetzt.

Martin Schwickert

GB 2013 R: Danny Boyle B: Joe Ahearne, John Hodge K: Anthony Dod Mantle D: James McAvoy, Vincent Cassel, Rosario Dawson