Transcendence

Depp in the Box

Ein ambitionierter SF-Thriller über KI und k.o.

Will Caster (Johnny Depp) war zu seinen Lebzeiten eine Koryphäe auf dem Gebiet künstlicher Intelligenz. Er träumte davon, das Wissen der Menschheit auf einem gigantischen Server zu vernetzen und von empfindungsfähigen Computersystemen, die einen direkten Kontakt zum menschlichen Gehirn herstellen können. "Sie wollen also einen eigenen Gott erschaffen?" fragt ein sichtlich aufgewühlter Zuhörer im Auditorium. Nach dem Vortrag wird Caster durch einen Schuss niedergestreckt. Hinter dem Attentat steht eine militante Gruppe von Technologiekritikern. Bevor ihr Mann an den Folgen der Schussverletzung stirbt, gelingt es Evelyn mit einem neu entwickelten Verfahren den Hirninhalt des genialen Gatten hochzuladen, und nach dreißig Kinominuten ist Johnny Depp in diesem Film nur noch im Flachbildschirmformat zu sehen. Die Wiedersehensfreude der Eheleute ist dennoch groß, aber schon bald fordert Caster mehr Energie, mehr Speicherkapazität, eine stabile Internetverbindung und Zugang zu den Datenbanken der Wall Street. Binnen weniger Jahre haben Evelyn und ihr virtueller Lebenspartner in einem heruntergekommenen Wüstenstädtchen ein unterirdisches Hi-Tech-Imperium aufgebaut, von dem aus Caster mit modernster Nanotechnologie an der Umgestaltung von Mensch und Umwelt arbeitet.

Regisseur Wally Pfister hat sich bisher in Filmen wie Memento und Inception als Kameramann von Christopher Nolan verdient gemacht. In seiner ersten eigenen Regiearbeit merkt man deutlich die Spuren dieser langjährigen Zusammenarbeit. Aber die Verschränkung von großem Unterhaltungskino und intelligentem Subtext, die bei Nolan auf scheinbar intuitive, vollkommen unaufdringliche Weise gelingt, will bei Pfister nicht funktionieren. Natürlich bedient der Zukunftsentwurf mit der Übernahme des menschlichen Geistes durch einen allmächtigen Superserver eine klassische Angstphantasie der technologieverliebten Gesellschaft. Aber Pfister hat sein eigenes Szenario zu wenig im Griff und verfranzt sich in immer neue Steigerungsformen der Grundidee. Pfister ist mehr in die fluiden Möglichkeiten digitaler Bildproduktion verliebt als in die Charaktere, die sein Szenario bevölkern. Eine Ikone wie Johnny Depp über Dreiviertel der Spielzeit nur als Skype-Version seiner selbst zu zeigen, ist ein durchaus gewagtes Unterfangen, zumal die Charakterisierung der Figur vor ihrer Digitalisierung nur schemenhaft zu erkennen ist. Die große Liebe zwischen Evelyn und ihrem virtuellen Ehemann, die der eigentliche emotionale Motor der Geschichte sein soll, bleibt eine eher matte Behauptung.

Die Nebenfiguren, für die immerhin begabte Mimen wie Morgan Freeman, Paul Bettany und Cilian Murphy unter Vertrag genommen wurden, dienen nur als Stichwortgeber für eine Filmhandlung, die vorhersehbar auf eine große Schlacht zwischen digitaler Allmacht und menschlichem Überlebenswillen hinausläuft. Deren Ergebnis wird dann auch noch in einem Prolog vorweggenommen, in dem sich der Erzähler durch eine enttechnisierte Welt bewegt, wo alte Laptops als Türstopper benutzt werden, teure Smartphones achtlos am Wegesrand verstauben und die Menschen ohne Strom zurecht kommen müssen - eigentlich ein sehr viel interessanteres Setting, in dem man sicherlich eine spannendere und konzentrierte Geschichte erzählen könnte.

Martin Schwckert

USA 2013 R: Wally Pfister B: Jack Paglen K: Jess Hall D: Johnny Depp, Rebecca Hall, Paul Bettany. 119 Min.