»DIE TRUMAN SHOW«

Hinterm Horizont geht's weiter

Der Himmel über der Spießerwüste

Truman Burbank ist der durchschnittliche Durchschnittsamerikaner. Er lebt sittsam in einer Siedlung, die sich in einer gediegenen Kleinstadt befindet. Dort geht er einem piefigen Versicherungsjob nach. Die Grenzen der Stadt hat Truman nie überschritten. Die Welt außerhalb seiner Welt kennt er nur vom Globus.
Beklagen kann sich diese Naivität in Person jedoch nicht. Alles läuft wie geschmiert. Arbeit, Familie, Eigenheim - porentief rein. Doch genau das stößt Truman auf. Mehr und mehr gewinnt er den Eindruck, daß eine unsichtbare Macht die Fäden zieht. Als ein Scheinwerfer mir nichts dir nichts vom Himmel plumpst, schaut er argwöhnisch in den Himmel. Der ist blau, so herrlich blau, so makellos wie immer.
Was Truman noch nicht weiß: Der Himmel über der Spießerwüste ist eine Illusion. Seaheaven existiert auf keiner Landkarte außerhalb Seaheavens. Der konzipierte Ort befindet sich in der größten Studiohalle der Welt, die für nur eine Show gebaut wurde: Die Truman Show .
Die Welt, in der wir leben - wie ist sie beschaffen? Für Truman, den Jim Carrey ausnahmsweise hervorragend spielt, stellt sich die Fage immer öfter. Seine Welt ist bezaubernd in ihrer infantilen Harmlosigkeit und bedrohlich in ihrer unentrinnbaren Statik. Als Truman sprichwörtlich auf die Grenzen seiner Existenz stößt, muß er sich zwischen Schein- und Seinwelt entscheiden.
Zwei Welten - die televisionäre und die wirliche - prallen aufeinander. Peter Weir (Der Club der toten Dichter, Green Card) behandelt ein philosophisches Thema, das die Kulturelite des 20. Jahrhunderts wieder mehr und mehr beschäftigt. Ist das, was wir sehen, echt oder nur eine Abbildung? Baudrillard bestimmte das Fernsehen als eine bezeichnete Realität mit direktem Zugang für die Menschen. Weir hat augenscheinlich den Überbau weitergesponnen. Was passiert, wenn wir selbst im Fernsehen agieren, ohne es zu bemerken?
Die bezeichnete Realität bleibt für die Außenwelt, eine herrliche Gelegenheit nach Herzenslust zu spannen. Für Truman bedeutet sie die einzig bekannte Wirklichkeit. Einziger Formfehler: Von Zeit zu Zeit greift die Ist-Welt in den Verlauf ein. Der TV-Produzent (Ed Harris), der Truman entdeckte und die Geschichte entwickelt, glaubt sich gottgleich. Mit perfiden Strategien behindert er Truman, der seiner Welt entfliehen möchte. Die TV-Augen sind überall. Satte 5000 Kameras decken das Terrain ab. Die totale Überwachung geschieht freilich nur im Namen der Unterhaltung. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche verfolgen Millionen am Bildschirm, was Truman widerfährt. Kann ein Bedürfnis von Abermillionen schlecht sein? Fragen wie diese zu stellen, und dazu äußerst unterhaltsam, verrät auch Talent des Drehbuchautors. Andrew Niccol verfaßte das Buch, noch bevor er mit Gattaca seinen ersten Film realisierte - ein Streifen, der nicht minder schwierige Thematik in ebenso einprägsamen Bildern festhält.
Die Truman-Show verdichtet Medienkritik mit einer spannenden Geschichte. Hierzu kramt Weir mal in der Groteske, dem Psycho-Thriller und mal der Komödie.
Das Beklemmendste an diesem Film ist die Tatsache, daß wir uns alle mit den sensationsgeilen Zuschauern identifizieren können. Truman Show ist Reality-TV in grausigster Überspitzung. Zum Glück ist RTL noch nicht auf das Konzept gestoßen.

Ulf Lippitz