TRUE GRIT - VERGELTUNG

Neue Legenden

Noch nie wurde in einem Western so viel gequasselt wie in der Neuverfilmung des Wayne-Klassikers durch die Coen-Brüder.

Der Vater der 14-jährigen Mattie Ross wurde feige erschossen. Also heuert Mattie den versoffenen alten Marshall Reuben "Rooster" Cogburn an, um den Feigling Tom Chaney zur Strecke zu bringen. Zusammen mit dem etwas geistesschlichten Texasranger LaBoef macht sich die Truppe auf ins Indianergebiet, um Chaney vor Gericht zu stellen.

Die schlichte Story brachte John Wayne 1969 als Rooster Cogburn seinen einzigen Oscar ein und war ein fröhlich-melancholischer Abgesang auf den US-Edelwestern, dem mit Aufkommen der europäischen Variante (unter besonderer Verwendung eines gewissen Clint Eastwood) ein schnelles Ende prophezeit wurde.

Wenn die großen Kino-Ironiker Joel und Ethan Coen sich eines solchen Stoffes annehmen, bekommen wir natürlich die Schauwerte des US-Western geboten: Flammende Sonnenuntergänge, Panoramaschwenks, Reitersilhouetten im Gegenlicht.

Aber weil der US-Western seit Erbarmungslos oder Deadwood sich verändert hat, wird in der Neuverfilmung der Coen-Brüder mehr geredet als geschossen. Und wenn jemand schießt, wird das Ergebnis nicht mehr so dezent ausgeblendet wie 1969 bei Henry Hathaway.

Trotzdem ist True Grit immer noch die einfache Geschichte eines vorlauten, mutigen jungen Mädchens, das sich in die Männerwelt begibt, um Gerechtigkeit herzustellen. Es ist bemerkenswert, wie sehr die Coens diesen Kern der Geschichte erhalten haben und ihn noch betonen. Anders als bei Henry Hathaway steht hier Mattie im Mittelpunkt, die uns auch die Geschichte im Rückblick aus dem Off erzählt. Mattie sieht Männer sterben und hört schlimme Worte und aufregende Geschichten. Aber als es drauf ankommt, nimmt sie selbst die Waffe in die Hand und schießt; der Roman True Grit erschien 1968 als Zeitungsroman im New Yorker "Herald Tribune" und ist Ausdruck der Moderne, nicht der Verklärung. In diesem Sinne endet die Geschichte auch bei den Coens anders.

Am Ende der Hathaway-Version steht Mattie Ross mit verbundenem Arm, also leicht beschädigt, am Grab ihres Vaters und tauscht besinnliche Worte mit dem Marshall aus, um anschließend wieder zu Herd und Familie zurückzukehren und ein braves Mädchen zu werden. Die 70er hatten nicht einmal angefangen, und in Hollywood mussten Studio-Filme noch so enden: Die aufmüpfigen Mädchen wurden wieder nach Hause geschickt.

Bei den Coens (und in der Romanvorlage) stapft am Ende eine erwachsen gewordene einarmige Mattie Ross durch die Straßen von Memphis und sucht 25 Jahre später ihren Freund Rooster Cogburn, der mit einer Wildwest-Show in der Stadt gastiert. Leider ist Cogburn ein paar Tage vorher gestorben, und der Mann, der Mattie das erzählt, ist Cogburns Arbeitgeber, der alte Gauner und Kriegskamerad Cole Younger, der letzte Überlebender der James/Younger-Bande. Die hatte einige Berühmtheit erlangt, von der vor allem die James-Brüder profitierten. Nach seiner Strafverbüßung betrieb Cole Younger zusammen mit Frank James eine Wildwest-Show zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Westen war bereits zur Legende geworden, seine Helden waren Ausstellungsstücke mit zweifelhafter Vergangenheit.

Die Coens haben sich hier wieder einmal als Myth-Buster betätigt. Das ergibt kluge, intellektuell reizvolle und bisweilen brillant aufgelöste Szenen. Die absurde melancholische Tiefe ihres letzten Films A serious man hat das natürlich nicht annähernd.

Thomas Friedrich

USA 2010 R & B: Joel & Ethan Coen K: Roger Deakins D: Jeff Bridges, Hailee Steinfeld, Matt Damon, Josh Brolin