TYRANNOSAUR - Eine Liebesgeschichte

Tote Hunde

Von Menschen und Monstern und Mitgefühl

Joseph ist ganz offensichtlich ein frustriertes Ekel. Er randaliert bezecht vor der Kneipe, er flucht haltlos, er zerrt an seinem Hund herum, er tritt ihn wütend. Dann ist der Hund tot und Joseph ist traurig.

Ganz England ist trist und traurig in diesem ersten Spielfilm von Schauspieler Paddy Considine, der seinen Kurzfilm Dog Altogether ausbaut, der mit dem toten Hund endete.

Jetzt geht es mit dem mindestens halb toten Joseph weiter, der offenbar viel hinter sich und nichts mehr vor sich hat. Er lebt von der Stütze, er sitzt in Pubs herum, er sitzt stumm am Bett eines krebskranken Kriegskameraden und flucht und randaliert im abbruchreifen Arbeiterviertel herum, wenn er nicht mehr weiter weiß.

Eines Tages jedoch gerät er in eine Art Brockenbörse, betrieben von der verhärmten Hannah. Die stammt aus einer besseren Gegend, ist etwas übertrieben religiös und wird zu einer Art Ruhepol für Joseph. Bei Hannah schimpft er etwas leiser, bei Hannah, der ganz unbedrohlichen, erzählt er stockend aus seinem Leben. Und von seiner verstorbenen Frau, dem fetten Schwein, bei dem immer der Kaffee in der Tasse schwappte, wenn sie die Treppe runter stapfte. Wie in Jurassic Park.

Paddy Considine gibt sich größte Mühe, Joseph nicht zu sympathisch erscheinen zu lassen. Wenn er mal nett zu dem vernachlässigten Jungen in seiner Straße ist, dann kloppt er im nächsten Bild zornbebend seinen verwaisten Hundezwinger in Klump und legt sich mit den ruhegestörten Nachbarn an.

Aber natürlich hat auch Hannah ihr Päckchen zu tragen. Ohne Verletzungen wird man nicht so hilfsbereit und scheu zugleich. Was Hannah von ihrem Ehemann erträgt, würde man nicht glauben, hätte man nicht schon Joseph als normales Monster akzeptiert. Und würde Eddie Marsan nicht die unterentwickelte Rolle des bürgerlichen Sadisten in seinen wenigen Auftritten so abgrundtief gestalten.

Wo wird das hin führen? Wer ist eigentlich Täter? Können sich Opfer ineinander verlieben? Kann man Mitgefühl entwickeln, wenn man der Hund ist, der zu Tode getreten wird?

Erstaunlicherweise schwebt trotz aller Gewaltausbrüche, inklusive einem zweiten toten Hund, und einem Plot-Twist am Ende, die Hoffnung auf Mitgefühl durch den Film. Man möchte weder Joseph noch Hannah sein, aber man möchte einen von beiden treffen, wenn dich der Tritt trifft.

Wing

GB 2011 R + B: Paddy Considine K: Erik Wilson D: Peter Mullan, Olivia Coleman, Eddie Marsan