»UNGEKÜSST«

Was ihr wollt

Schon wieder ein Mädel mit Mängeln

Josie Geller (Drew Barrymore) wurde nie richtig geküßt. Es ist schon ein Jammer, aber irgendwie verständlich. Mausgrau taucht sie in der Menge auf, steif bis zum hochgeschlossenen Kragen und sympathisch wie eine Sturmhaubitze. Die junge Redakteurin hat während ihrer Schulzeit brav aufgepasst, welches Adverb welche Präposition bedingt. Deshalb lektoriert sie Texte bei der "Chicago Sun-Times" anstatt Artikel selbst zu verfassen.
Das ändert sich, als sie einen Undercover-Auftrag ergattert. Sie soll eine fesselnde Reportage über die Jugend von heute schreiben. Dafür schreibt sie sich an der South Glen South High ein und versucht gleichzeitig, eigene Geschichte aufzuarbeiten. Josie gehörte in ihrer ersten High-School-Phase zu den Außenseitern - ein Umstand, dem sie nun abzuhelfen gedenkt.
Es ist ein dutzendmal durchgespieltes Thema. Josie möchte das beliebteste Mädchen der Schule sein und einen knackigen Burschen zum Abschlußball an der Hand führen. So simpel geht das freilich nicht vonstatten, zumal Josie den Lehrkörper bevorzugt. Spätestens wenn Englischlehrer und Pseudo-Schülerin einen Shakespeare-Dialog aus "Was Ihr wollt" vorlesen, begreift auch der letzte, dass sich hier zwei aneinander vergreifen und wahnsinnig romantisch küssen sollen. Die literarische Aufladung hilft Ungeküßt nicht über zähe Etappen hinweg. Regisseur Raja Gosnell inszeniert eine fade High-School-Komödie, deren Humor als nicht vorhanden beschrieben werden kann. Die eingebauten Hindernisse zum Happy-End wirken als zeitliche Überbrückung eines Cinderella-Märchens. Darin tauchen die Versatzstücke "Hackordnung", "Football" und "Streber" wie lose Asteroiden in einem Kometenstreif auf. Irgendwann verglühen sie im Sog der Handlung - und keiner hat es bemerkt.
Als Schlußpunkt zu all den High-School-Dramen des Sommers mahnt uns Ungeküßt an den Untergang des Trends. Stock-konservativ vermitteln die Macher ein langweiliges Amerikabild, das selbst prüdeste AmerikanerInnen abschrecken dürfte.

Ulf Lippitz