UNTER KONTROLLE

Langsam köcheln

David Lynchs Tochter Jennifer mag's blutiger als der Papa

Drei Monitore. Drei Zeugen. Drei Versionen der Wahrheit. FBI-Agent Sam Hallaway (Bill Pullman) sitzt im improvisierten Kontrollraum einer Polizeiwache irgendwo in der platten amerikanischen Provinz und versucht sich seinen eigenen Reim auf die widersprüchlichen Zeugenaussagen zu machen.

Mit seiner Kollegin Elizabeth Anderson (Julia Ormond) ist er angereist, um mehrere brutale Massaker aufzuklären, die sich entlang eines verlassenen Highways ereignet haben. Die überlebenden Zeugen werden getrennt verhört: Der Polizist Jack Bennett (Kent Harper), der bei der Schießerei mit den maskierten Mördern seinen Partner verloren hat, die drogensüchtige Bobbi (Pell James), die mit ihrem Freund völlig zugekokst in das Massaker hineingeraten ist, und die achtjährige Stephanie (Ryan Simpkins), deren gesamte Familie dabei ums Leben gekommen ist.

Während die Stimmen aus dem Off berichten, zeigt die Kamera in Rückblenden, was tatsächlich geschehen ist. Den Worten - das lernt das Publikum hier schnell - kann man nicht trauen. Aber wem kann man überhaupt glauben in diesem verlassenen Landstrich, in dem gelangweilte Polizisten auf die Reifen der Temposünder ballern, um sie danach mit abgefeimten Rollenspielen zu erniedrigen?

Ganz wie ihr Vater David arbeitet auch Tochter Jennifer Lynch tapfer an einem Konzept der Verunsicherung. Aus Dad's Serie Twin Peaks hat sie sich das Setting der verschworenen Provinzgemeinde ausgeliehen, nur dass Unter Kontrolle gänzlich ohne spirituelle Erleuchtung und neblige Reisen ins Unterbewusstsein auskommt.

Die Anfangsstrategie, die Figuren durch die Diskrepanz zwischen ihren Lügen und dem tatsächlichen Geschehen zu charakterisieren, ist durchaus vielversprechend. In schillernden Farben malt der Film die moralische Verrohung des ländlichen Polizeiapparates aus, in dem vornehmlich schießwütige und grenzdebile Sheriffs ihren Dienst verrichten. Das brutale Verbrechen wird im Zwiebel-Verfahren aufgeblättert, was durch die durchdachte Plotkonstruktion die Zuschauer bei der Stange hält.

Leider zaubert Jennifer Lynch im letzten Drittel eine Wendung aus dem Hut, die die filmische Wahrheit noch einmal grundlegend über den Haufen werfen soll, aber vor allem durch extreme Gewaltausbrüche das dramaturgische Konzept des langsamen Erhitzens der Geschichte zerstört.

Der finale Twist ist hier nur eine eitle Pose und führt die klug aufgebaute Geschichte ins billige Splatter-Territorium.

Martin Schwickert

Surveillance R: Jennifer Lynch B: Jennifer Lynch, Kent Harper K: Peter Wunstorf D: Bill Pullman, Julia Ormond, Pell James