Das verborgene Gesicht

Hinter Spiegeln

Ein spanischer Horror-Film ohne Blut

Kommt ein Mann in die Bar, guckt traurig, sieht gut aus, trinkt viel und wird von den Dorfrüpeln verhauen. Was tust du als schönes Theken-Mädchen in Kolumbien? Du nimmst ihn mit zu dir, verliebst dich in ihn, sogar noch mehr, als herauskommt, dass er ein gefeierter spanischer Dirigent ist. Und auch kaum weniger, als dazu herauskommt, dass er vor ein paar Tagen noch eine Freundin hatte, die aus dem gemeinsamen Landhaus verschwand und noch immer von der Polizei gesucht wird.

Ein bisschen nur stört es dich, dass dein Liebster offenbar jede Frau anflirtet, dass das Waschbecken so komische Geräusche macht und die Badewanne Wellen schlägt.

Das Publikum findet es eher seltsam, dass der Mann manchmal verdächtig guckt. Und dass nach einer halben Stunde die weibliche Hauptrolle wechselt. Wir springen ein paar Monate zurück. Der Dirigent ist mit seiner Freundin glücklich, sie ist furchtbar eifersüchtig. Eines Tages verschwindet sie für eine Art Liebestest, fängt sich aber dummerweise selbst dabei. Genauer darf man es nicht andeuten, sonst funktionieren die stillen Schauermomente nicht mehr.

Der Dirigent verzweifelt schier aus Einsamkeit. Die Liebestesterin auch, weil ihr Scherz Ernst wurde. Der Zuschauer aber freut sich, weil er jetzt den ersten Teil des Films aus dem Blickwinkel des zweiten nochmal erzählt bekommt. Und weil der schöne Mann ja doch kein Übler ist, sondern bloß nach kurzer Trauer die nächste Dame ins Haus holte.

Andererseits schwankt Freundin Nummer 1 zwischen Todesgefahr und "selbst eingebrockt" und Freundin Nummer 2 zwischen Geisterangst und nun auch bei ihr aufkommender Eifersucht. Ist der Schönling vielleicht doch nicht schön? Wessen Gesicht ist hier eigentlich verborgen?

Sehr geschickt schiebt Andrés Baiz Spiegel- und Schlüsselmotive in eigentlich harmlose Szenen, ganz unaufgeregt legt er Spuren und Rätsel aus und lässt es beinahe normal erscheinen, dass alle Handelnden sich nicht ganz so benehmen, wie wir es tun würden. Die schleichende Mystery kippt erst etwa ab der Mitte in perfide Suspense, wenn unsere Sympathien schnell zwischen den drei Opfern und Tätern hin- und her springen, wenn jeder nur im Eigeninteresse handelt und wenn sich alle dann doch entscheiden, etwas Gutes zu tun. Nur zu spät.

Wing

La cara oculta. Sp 2011. R + B: Andrés Baiz K: Jospeph M. Civit D: Martina Garcia, Quim Gutiérrez, Clara Lago