DIE VERGESSENEN


War da was?

Julianne Moore würd' sich so gern erinnern

T elly Paretta ist in psychiatrischer Behandlung. Sie vermisst ihren neunjährigen Sohn Sam, der vor vierzehn Monaten bei einem Flugzeugabsturz gestorben ist. Das Problem: Sie ist die einzige, die daran glaubt, dass Sam überhaupt existiert hat. Ihr Mann Jim bestreitet, je einen Sohn gehabt zu haben, und auch ihr Arzt will Telly davon überzeugen, dass sie an Wahnvorstellungen leidet. Auf einmal verschwinden alle Fotos und Videoaufnahmen von Sam, sogar der Zeitungsartikel über den Absturz des Flugzeugs.
Telly trifft Ash Correll. Dessen Tochter Lauren saß auch in der Unglücks-Maschine, nur dass Ash sich an keine Tochter erinnern kann. Als die Erinnerungen wiederkommen, ist es bereits zu spät. Plötzlich ist eine ganze National Security-Brigade hinter ihnen her. Warum will man verhindern, dass Telly und Ash sich an ihre Kinder erinnern?
75 Minuten lang funktioniert das alles sehr gut. Julianne Moore zeigt aufs Neue eine formidable Leistung. Zudem verfolgt man da eine clever konstruierte Handlung und wartet gespannt auf die Auflösung. Was steckt hinter der Hetzjagd auf die beiden Eltern, was sollen sie nicht erfahren?
Diese Spannung wird durch immer neue Wendungen und eine stets bedrohliche Atmosphäre gehalten. An dem Punkt, an dem man es vor Ungewissheit kaum noch auhält, setzt eine enttäuschend banale Erklärung ein. Die gesamte letzte Viertelstunde ist dramaturgisch ein Desaster. Selten ist ein derart vielversprechender Film so abgestürzt. Wie kann das passieren?
Das sollte man vielleicht am besten Drehbuchautor Gerald DiPego (Message in a bottle) fragen, der hat das, nach eigenen Angaben, nämlich alles geträumt. Morgens weckte er dann seine Frau mit den Worten "Ich glaube, ich habe eine Geschichte!"
Und tatsächlich: die letzten 15 Minuten von Die Vergessenen sehen schwer nach einem surrealen Durcheinander aus der R.E.M.-Phase aus. Leider hilft es auch nicht, nach den brillanten 75 Minuten besserwissend den Kinosaal zu verlassen - die Frage, was denn nun los war mit den vergessenen Kindern und welcher Verschwörungstheorie damit zugespielt wird, würde einen zu lange verfolgen.

Michaela Sommer
The Forgotten. USA 2004. R: Joseph Ruben. B: Gerald DiPego. K: Anastas Michos. D: Julianne Moore, Dominic West, Gary Sinise, Alfre Woodard