Vielleicht lieber morgen

Mit Mängeln

Eine melancholische Beobachtung über Highschoool-Außenseiter

Mit dem festen Willen, sein Leben zu verändern, beginnt Charlie den ersten Tag an der High-School. Die ganzen Sommerferien hat er fast nur zu Hause verbracht, nachdem sein bester Freund sich das Leben genommen hat. Charlie ist ruhig, sensibel, intelligent und er liebt Literatur - Eigenschaften, die ihn in der Schulhierarchie sofort zum Außenseiter werden lassen.

Aber dann lernt er Patrick und dessen Stiefschwester Sam kennen, die Charlie als Vertriebenen vom Terror der Normalität erkennen. "Willkommen am Stand mit den Mängelexemplaren" sagt Sam zu ihm. Nicht so zu sein, wie alle anderen - das ist für die Beiden keine Schande, sondern eine Auszeichnung.

Plötzlich findet sich Charlie auf exzentrischen Partys wieder, isst seine ersten Haschischkekse, spinnt und philosophiert mit seinen neuen Freunden herum und tritt sogar als Playbacksänger in der "Rocky Horror Picture Show" auf. Natürlich verliebt er sich in Sam, auch wenn die schon einen Lover hat und Charlie nur als Freund gewinnen will.

Stephen Chboskys Vielleicht lieber morgen erzählt von einer einfachen Wahrheit des Jugenddaseins: Zu sich selbst kann man nur mit guten Freunden finden. "Wir sind unendlich" heißt es am Schluss und die schlichte Poesie dieses Satzes, umschreibt auch den offenen Geist des Filmes. Vielleicht lieber morgen gelingt, was viele Coming-of-Age-Filme vergeblich versuchen: den schmerzend wohligen Schwebezustand der Adoleszenz einzufangen, in dem Aufbruchstimmung und Melancholie ganz dicht beieinander liegen. Besonders gelungen ist dabei die zarte Lovestory, in der die Grenzen zwischen Freundschaft und Liebe fließend bleiben.

Dass hinter Charlies Schüchternheit verdrängte, traumatische Erfahrungen stecken, gibt der Geschichte die notwendige emotionale Erdung, die über einen bloßen Jugendwohlfühlfilm hinausgeht.

Hervorragend sind auch die Schauspieler: Logan Lerman (Percy Adlon) überzeugt vollkommen als Mauerblümchen, das sich nur langsam vom Beobachter zum Beteiligten entwickelt. Ezra Miller erweitert nach seiner Rolle als Schulattentäter in We need to talk about Kevin sein darstellerisches Spektrum, und Emma Watson leuchtet förmlich in diesem Film, der ihr die Chance gibt, sich aus dem Harry-Potter-Universum zu lösen und als vielversprechende Nachwuchsschauspielerin zu etablieren.

Martin Schwickert

The Perks of Being a Wallflower USA 2012 104 min R&B: Stephen Chbosky K: Andrew Dunn D: Logan Lerman, Emma Watson, Ezra Miller