VIER BRÜDER

Boyz in the Hood

John Singelton plädiert wieder für Selbstjustiz

Falsche Zeit. Falscher Laden. Bei einem Überfall auf ein Lebensmittelgeschäft in Detroit wird eine alte Dame erschossen. Gerade zuvor hatte Evelyn Mercer einem zehnjährigen Ladendieb die Leviten gelesen und ihn mit einer Verwarnung nach Hause geschickt, als zwei Maskierte das Geschäft stürmten.
Ihr Leben lang hat Evelyn sich um die Vermittlung von elternlosen Kindern in Pflegefamilien gekümmert. Die vier härtesten Fälle, die niemand haben wollte, hat sie selbst in ihr Haus aufgenommen. Zur Beerdigung reisen die erwachsenen Adoptivsöhne an: Bobby (Mark Wahlberg) ist gerade aus dem Knast entlassen worden. Angel (Tyrese Gibson) ist bei den Marines gelandet, und der Jüngste Jack (Garrett Hedlund) ist eine verkrachte Rockmusiker-Existenz. Nur Jeremiah (André Benjamin), der in der Gegend geblieben ist, scheint den Weg zu einem bürgerlichen Leben mit Frau, Kind und einer kleinen Baufirma gefunden zu haben. "Die Kids, die das gemacht haben, sind auf den gleichen Straßen groß geworden wie wir. Mutter wäre die erste, die ihnen vergeben hätte", sagt er und versucht die Vergeltungsinstinkte seiner Brüder herunterzukühlen. Aber als sie auf dem Überwachungsvideo sehen, mit welcher Kaltblütigkeit ihre Mutter erschossen wurde, sind die Gebrüder Mercer nicht mehr zu halten. In ihren Ermittlungsmethoden sind sie nicht gerade zimperlich. Mit vorgehaltener Waffe unterbrechen sie ein Basketballspiel auf der Suche nach Zeugen. Unwillige Informanten fliegen aus dem Fenster, und flüchtende Tatverdächtige werden in halsbrecherischen Karambolagefahrten gestellt. Aber bald schon müssen die rabiaten Privatermittler feststellen, dass der Mord an ihrer Mutter kein Zufall, sondern Teil eines Korruptionskomplotts war, der bis in den Polizeiapparat und die eigene Familie hineinragt.
Vier Brüder ist ein moderner Großstadtwestern, der sein archaisches Vergeltungsmotiv ohne Rücksicht auf politisch korrekte Empfindlichkeiten durchbuchstabiert. Das Finale wird zwar nicht in den Weiten der Prärie, aber in der Schneewüste des zugefrorenen Lake Erie ausgefochten. Regisseur John Singleton, der mit Boyz in the Hood debütierte und zuletzt 2 Fast and 2 Furious inszenierte, versucht hier sozialen Realismus mit modernem Actionkino zu fusionieren.
Dass die Gebrüder weißer und schwarzer Hautfarbe sind, verhandelt er mit angenehmer Beiläufigkeit. Was zählt ist die soziale Herkunft, die es gegen die großstädtischen Profitgangster zu verteidigen gilt. Das birgt unter der Oberfläche schon fast klassenkämpferische Qualitäten und ist doch nur Action-Popcorn-Kino bester Güte - unterlegt mit einem wunderbar melancholischen Motown-Soundtrack von den Temptations bis Marvin Gaye.

Martin Schwickert

Four Brothers USA 2005 R: John Singleton B: David Elliot, Paul Lovett K: Peter Menzies Jr. D: Mark Wahlberg, Tyrese Gibson, André Benjamin, Garrett Hedlund