Violette

Schwieriger Charakter

Martin Provost verfilmt das Leben der Autorin Violette Leduc

Das ganz literarische Frankreich kennt sie als feministische Schriftstellerin, als Schützling Simone de Beauvoirs, als starke unabhängige Frau. Aber auch als schwierige Person, hin- und hergerissen zwischen Selbstbehauptung und dem Verlangen, geliebt zu werden.

Im Film begegnen wir ihr zuerst auf der Flucht. Ertappt beim Schwarzhandel wirft sie einen Koffer voller Lebensmittel weg und entkommt doch nicht der Verhaftung.

Martin Provost etabliert damit sein Verfahren, ziemlich unerklärte Bilder beinahe wie Stationen eines Kreuzwegs aneinander zu reihen. Kennern der Biographie erscheinen die wie symbolische Schlüssel, Nicht-Kennern wie ein Rätsel, versteckt in einem anderen. Genauer: in sechs Kapiteln, die von frühem Leid bis zum späten Ruhm führen und nur allmählich und lückenhaft enthüllen, was bisher geschah.

Violette schlägt sich so durch die letzten Kriegsjahre, versorgt einen schwulen Scheinehemann und erhält bloß Dankbarkeit statt Liebe dafür. Allerdings ermutigt er sie, über sich selbst zu schreiben. Nicht, weil das jemand lesen müsse, sondern weil es gut für sie selbst sei. Violette, entzückend herb gespielt von Emmanuelle Devos, geht auf den Hof ihres bäuerlichen Unterschlupfs in der Normandie und wäscht sich im schmalen Rinnsaal der Pumpe. So geht das weiter.

Violette lernt Simone de Beauvoir kennen und verliebt sich in sie. Legt ihr verschämt Blumen vor die Tür, bringt ihr aber auch das Manuskript ihres ersten Buches. Violette kommt in Kontakt zur Elite ihrer Zeit, zu Camus, Genet und Sartre. Und wir kommen in Kontakt mit Violettes innerer Wüste, auf der sie Orgel spielt, wie sie in einem der vielen eingesprochenen Werkzitate sagt.

Sie war ein vom Vater verstoßenes Kind, sie fühlte sich zeitlebens hässlich, sie hatte frühe lesbische Erfahrungen und eine späte Abtreibung. Erwachsen geworden, bedrängt sie besitzergreifend unerreichbare Frauen und homosexuelle Männer. Zum Glück zwingt uns Provost keine platten Psychologisierungen auf, belässt es bei Andeutungen, die meistens knapp vor der Peinlichkeit ins Poetische abbiegen.

Bis endlich, 1964, Frauen in Frankreich ein Bankkonto ohne Mann führen dürfen. Violette Leduc schreibt ihren ersten Bestseller über ihr Leben: "Die Bastardin". Und Emmannuelle Devos wandert, nur noch mit einem Klappstuhl in der Hand, durch die sonnige Provence und schreibt. Der Weg dahin zieht sich ein bisschen und klebt an all zu vielen Details. Aber er lohnt sich. Auch für Menschen, die noch gar nichts von oder über Violette Leduc gelesen haben.

Wing

F 2013. R: Martin Provost. B: Martin Provost, Marc Abdelnour, René de Ceccatty K: Yves Cape D: Emmanuelle Devos, Sandrine Kiberlain, Olivier Gourmet, Catherine Hiegel, Jacques Bonnaffé, Olivier Py, Nathalie Richard, Stanley Weber, Jean Toscan, Frans Boyer. 139 Min.