»VIRUS«

Böse Biester

Jamie Lee Curtis und Donald Sutherland auf maritimer Alien-Jagd

Als der Bergungsschlepper "Sea Star" in den Weiten des Pazifik auf das menschenleere Wrack eines russischen Forschungsschiffes stößt, reibt sich der profitgierige Kapitän die Hände. Das internationale Seerecht verspricht Rettern eines verlassenen Schiffes eine zehnprozentige Prämie. Im Falle des High-Tech-Kahns wären dies satte 3 Millionen Dollar. Angesichts einer solchen Summe ist die Skepsis gegenüber dem unheimliche Geisterschiff schnell zerstreut. Das Wrack wird geentert und für alle zum Verhängnis. Was die Gelegenheitspiraten nicht ahnen, hat das Publikum in der Eröffnungssequenz erfahren: außerirdische Kräfte sind hier am Werk. Über seine riesigen Parabolantennen hatte das schwimmende Forschungslabor Kontakt zur Raumstation MIR, die wiederum von einer feindlich gesonnenen Energiewolke restlos zerstört wurde.
John Brunos Virus - nach dem gleichnamigen Comic von Chuck Pfarrer - erspart uns technisch-wissenschaftliche Details und serviert statt dessen zu Beginn ein ansehnliches Feuerwerk, mit dem die ominöse elektronische Lebensform menschenmordend von dem Schiff Besitz ergreift. Bald schon hat das unsichtbare Wesen auch die "Sea Star" versenkt und alle Fluchtwege abgeschnitten. Infiziert vom außerirdischen Virus verselbständigt sich die Bordtechnologie und produziert Maschinen und Roboter, die die Jagd auf menschliche Wesen eröffnen. Virus arbeitet mit den bewährten Technikfaszinationsängsten des Science-Fiction-Genres, und deutlich merkt man, daß John Bruno vor seinem Debüt als Regisseur die Effekte der meisten James-Cameron-Filmen verwaltete. An Filmen wie Abyss , True Lies , Terminator 2 und Titanic war Bruno maßgeblich beteiligt, und es scheint so, als habe er aus dem Verschnitt der Cameron-Werke sein eigenes Süppchen gekocht. Unschöne Terminatoren aus Menschenfleisch und Roboterschrott werden hier durchs maritime Set geschickt. Wenn die Geschichte nicht mehr trägt, werden, wie in Titanic , alle Schotts geöffnet und die gebeutelten Helden bis zum Halse unter Wasser gesetzt.
Die multikulturell durchmischte Crew (ein kubanischer Latino, ein tätowierter Indianer und ein todesmutiger Afro-Amerikaner) wird von einem erfahrenen Schauspieler-Trio angeführt. Donald Sutherland, der ja bekanntlich jede Rolle annimmt, mimt den zynisch-zwielichtigen Kapitän genauso, wie er in den letzten 21 Filmen zynisch-zwielichtige Gestalten verkörpert hat. Jamie Lee Curtis trifft man ja immer gerne wieder. Als versierte Navigations-Expertin behält sie hier auch in Krisensituationen den Überblick und zeigt den schießwütigen Männern, wo es lang geht. William Baldwin schließlich darf als muskulöser Maschinist ölverschmiert und stark transpirierend den Retter in der Not spielen.
Anfangs herrscht in den verwinkelten Schiffsgängen noch subtile Spannung. Hat sich das Böse aber erst einmal leibhaftig gezeigt, wird aus allen Rohren geschossen und nur noch eingefleischte Fans des Action-Trashs können dem ziellosen Kampf zwischen Mensch und Technik etwas abgewinnen. Nichts gegen krude Geschichten. Sie gehören zum Genre wie das Huhn zum Ei ... oder so. Aber wenigstens im Detail sollten sie schlüssig erzählt sein und über eine interne Logik verfügen.
Über Sinn und Funktionsweise der Rakete, mit der sich William Baldwin und Jamie Lee Curtis verdientermaßen aus dem explodierenden Schiffswrack retten, kann man lange und vergeblich grübeln. Wie die beiden die Reise in diesem heißglühenden Höllengerät überlebt haben, ist eines von vielen Rätseln, die Virus seinem unterforderten Publikum mit auf den Weg gibt.

Martin Schwickert