»BUENA VISTA SOCIAL CLUB«

Musik aus Cuba

Wim Wenders und Ry Cooder haben zusammen eine Dokumentation gedreht


Das Interview zum Film

Als der Weltmusiker Ry Cooder 1996 nach Havanna reiste, um die Wurzeln der kubanischen Son-Musik zu erkunden, entstand daraus das legendäre Album "Buena Vista Social Club. Die Aufnahmen gelten als Glücksfall der Musikgeschichte, denn sie führten noch einmal die bekanntesten Soneros der Karibikinsel zusammen. Die alten Herren sangen sich direkt in die Herzen der Weltmusikgemeinde und begründeten in der westeuropäischen Musikszene eine langanhaltende Kuba-Euphorie. Der Filmemacher Wim Wenders hat nun Ry Cooder bei seiner zweiten Reise nach Havanna begleitet und dabei ein liebevolles Porträt dieser außergewöhnlichen Musikformation gezeichnet.
Selbst in ihrer Heimat waren die betagten Musiker teilweise schon in Vergessenheit geraten. Der Pianist Ruben Gonzales hatte bereits vor zehn Jahren mit arthritischen Fingern seine Karriere beendet, bevor Ry Cooder ihn wieder ins Studio lockte. 1998 ist der 81jährige noch einmal auf Solo-Welttournee gegangen. Der Sänger Ibrahim Ferrer ist ein dünner, unauffälliger Mann mit Schiebermütze. Seine sanfte, klare Baritonstimme bringt schon nach wenigen Zeilen jedes Zuhörerherz zum Schmelzen. Auch er hatte bereits sein Musikerdasein aufgegeben und kam erst mit 72 Jahren durch das Album zu spätem Ruhm. "Wenn wir nur auf Besitz aus wären, sagt er, "gäbe es uns schon lange nicht mehr. Er zeigt seine bescheidene Wohnung in einer heruntergekommenen Gegend von Havanna und einen kleinen Lazarus-Altar, der regelmäßig mit Kerzen, Honig, Deodorant und Rum bestückt wird. Der 91jährige Gittarist Compay Segundo hat nie aufgehört Musik zu machen. Sein linker Daumen ist vom Halten des Instrumentes flach wie ein Pfennigstück. Stolz rechnet er vor, daß er mittlerweile seit 86 Jahren Zigarre raucht, und das scheint seinem sprudelnden Lebensgeistern nicht geschadet zu haben.
Wim Wenders skizziert nur in kurzen markanten Interviewsequenzen die Biographien der Musiker. Kein langes Schwelgen in Anekdoten und Revolutionsromantik. Die Lebenserfahrung der Alten spiegelt sich in ihrer Musik, und die steht im Zentrum des Films. Sogar Kameraführung und Schnitt scheinen sich dem Rhythmus des Sons unterzuordnen. Studioaufnahmen, Konzertmitschnitte oder auch nur das einfache Summen einer Melodie auf der Straße werden mit musikalischem Feingefühl zu einem sorgfältig komponierten Bild- und Klangkörper montiert. Deutlich merkt man, daß hier Ry Cooder mit im Schnittraum saß. Höhepunkt ist schließlich das letzte Konzert der Formation in der New Yorker Carnegie Hall. Sichtlich beeindruckt schlendern die alten Herren erstmals durch die Straßen des Big Apple. Der Kontrast zum morbiden Charme Havannas könnte nicht größer sein. "Size does matter wirbt in Manhattan eine grelle Neon-Werbung für Emmerichs "Godzilla-Film - darunter die kleinen gebeugten Männer aus Kuba als lebender Gegenbeweis für solch anmaßende Behauptungen.

Martin Schwickert