DAS WAISENHAUS

Blinde Flecken

Ein spanischer Horrorfilm, der brav Stereotypen abarbeitet: Ein Dorf hat ein düsteres Geheimnis.

Wenn Laura (Belén Rueda) an ihre Zeit im Waisenhaus zurückdenkt, erinnert sie sich an die glücklichen, unbeschwerten Kindertage, die sie mit ihren Freundinnen dort verbracht hat. Knapp dreißig Jahre später zieht sie zurück in das weitläufige, alte Haus, das allein hoch oben über den Klippen des Atlantiks steht. Mit ihrem Mann Carlos (Fernando Cayo) und dem Sohn Simón (Roger Príncep) möchte sie hier ein Heim für behinderte Kinder eröffnen.

Simón fürchtet sich vor der Einsamkeit des alten Gebäudes und schon bald berichtet er von imaginären Spielgefährten, mit denen er seine Nachmittage verbringt. Die Eltern sind nachsichtig mit dem Jungen, der weder etwas von seiner HIV-Infektion ahnt, noch dass Laura und Carlos nicht seine leiblichen Eltern sind. Dann verschwindet Simón auf einer Feier, auf der Laura glaubt selbst einen der imaginären Freunde im Haus ausgemacht zu haben. Mit der verzweifelten Suche nach dem Kind deckt die Mutter Schicht für Schicht die düstere Geschichte des Ortes und die blinden Flecken ihrer eigenen Vergangenheit auf.

Keineswegs originell ist die Grundrezeptur von Juan Antonio Bayonas Horrorthriller. Das verlassene Haus, in dem die Geister der Vergangenheit keine Ruhe geben wollen, muss hier wieder einmal als Metapher für die verborgenen Kammern des menschlichen Unterbewusstseins herhalten. Auch in seiner Symbolik vom stillgelegten Leuchtturm, der über das Haus wacht, bis zu den langen Fluren, an dessen Ende eine Kindergestalt die Erwachsenen ins Verderben lockt, zitiert sich Das Waisenhaus munter durch die Horrorfilmgeschichte.

Aber aus den Versatzstücken entwickelt Bayona seinen eigenen Stil, der mit einer reduzierten Farbpalette, sparsam dosierten Sound-Effekten und einer präzisen Schnittchirurgie vor allem durch seine ästhetische Kohärenz überzeugt.

Zweifellos hat der spanische Nachwuchsregisseur seinen Hitchcock gut gelernt und strapaziert das Nervenkostüm des Publikums fachgerecht mit einem ausgefeilten Suspense-Konzept. Produziert und beworben wird das Regiedebüt, das in Spanien bereits 24 Millionen Euro einspielte, von Guillermo del Toro, an dessen Pan's Labyrinth sich Bayona unübersehbar orientiert, ohne jedoch den psychologischen Tiefgang und die kreative Opulenz des Vorbildes zu erreichen.

Martin Schwickert

El Orfanato R: Juan Antonio Bayona B: Sergio G. Sánchez K: Oscar Faura D: Belén Rueda, Fernando Cayo, Roger Príncep, Geraldine Chaplin