WALL-E

Robot-Romanze

Die Erde ist wüst und leer - wären da nicht zwei Blechautomaten...

Die Filme aus dem Animationshaus Pixar sind eine Klasse für sich. Immer wieder gelingt es den Pixelkünstlern, neue Welten aus der Festplatte hervor zu zaubern und die cineastischen Sinne neu zu berauschen. Nachdem Ratatouille im letzten Jahr das Publikum aus der Rattenperspektive durch das Reich der Gourmetküche führte, folgt nun in Wall-E mit einem kleinen Roboter als Reisebegleiter ein romantischer Ausflug in die apokalyptische Zukunft.

Siebenhundert Jahre nach unserer Zeit hat die Menschheit den Planet Erde längst verlassen. Nicht der Klimawandel, sondern die wuchernden Müllberge haben sie in die Flucht geschlagen. Zurückgelassen haben sie ein Heer von Robotern, das mit den Aufräumungsaufarbeiten betraut wurde.

Aber auch davon ist nur noch einer übrig geblieben: Wall-E - der tapfere Einzelkämpfer im "Wasteland" der untergegangenen Zivilisation. Tag für Tag tuckert er durch die Gegend, füllt seinen Bauch mit Müll und komprimiert diesen zu handlichen Würfeln. Fein säuberlich werden diese aufeinandergestapelt, und wenn die Kamera in einer atemberaubenden Fahrt in die Totale zurück zoomt, erscheint eine gigantische Wolkenkratzerkulisse aus Müllsteinbauten.

Viel Zeit lässt sich der Film, um das Leben des Roboters zu beschreiben, der zu Hause seine eigene Unratsammlung pflegt und nach Feierabend zu einer VHS-Kopie von "Hello Dolly" sehnsuchtsvoll in den Sternenhimmel stiert. Dann landet ein Raumschiff auf dem menschenleeren Planeten und heraus schwebt: Eve.

Anders als der rostige Wall-E ist Eve ein modernes High-Tech-Wesen, das die Erde nach Spuren pflanzlichen Lebens abscannen soll. Keineswegs zufällig erinnert die Grazie an einen eiförmigen iPod (Ein wenig selbstironische Eigenwerbung wird dem Apple-Chef und Pixar-Mitbegründer Steve Jobs ja noch erlaubt sein).

Eve ist nicht nur schön, sondern auch stark und kann mit einem Fingerzeig ganze Gebäude in Schutt und Asche legen. Dennoch wirbt Wall-E ausdauernd und nicht ohne Erfolg, um den Prozessor seiner Angebeteten.

Als Eve mit einer gefundenen Pflanze im Bauch wieder vom Raumschiff abgeholt wird, fährt Wall-E als blinder Passagier mit und landet auf der Raumstation "Axiom", auf der sich die Reste der Menschheit bis zu ihrer fernen Rückkehr auf die Erde eingerichtet hat.

Und wieder entwirft der Film eine neue Wunderwelt - von der Apokalypse hinein in ein Konsumgesellschaftshöllenparadies, in dem die Menschen zu unförmigen Fettsäcken degeneriert sind. Bewegungsunfähig auf Liegesesseln schweben sie durch die Gegend und treten nur noch über Monitore, die vor ihrem Gesicht installiert sind, miteinander in Kontakt.

Auch wenn der Film optisch und erzählerisch in zwei Teile zerfällt, ist Wall-E inhaltlich wie ästhetisch der anspruchsvollste Film in der Pixar-Reihe.

Erneut gewinnen die Bilder an technischer Brillanz, ohne dass die Lust an Kreativität und Detailverliebtheit zu kurz kommt. Im Gewand einer herzallerliebsten Roboterromanze und einem spektakulären Science-Fiction verpackt Wall-E sein kulturpessimistisches Sittengemälde der amerikanischen Gesellschaft - unaufdringlich, unterhaltsam und mit überschäumendem, visuellen Ideenreichtum.

Martin Schwickert

USA 2008 R: Andrew Stanton B: Andrew Stanton, Pete Docter