WANTED

Volle Kanne drauf

Nach "Wächter des Tages" zeigt Timur Bekmambetov, wo der Hammer hängt

Wenn Wesley Gibson (James McAvoy) nach seinem eigenen Namen googelt, werden "keine übereinstimmenden Dokumente" gefunden. Die Nichtexistenz im virtuellen Raum entspricht seinem Lebensgefühl . Der 26jährige Büroangestellte ist ein Niemand, der sich von einer übergewichtigen Abteilungsleiterin Tag für Tag zur Schnecke machen lässt und von seiner Freundin mit seinem besten Kumpel betrogen wird. Eine solch schmachvolle, männliche Existenz ist ein Affront gegen jedes patriarchales Gerechtigkeitsempfinden, besonders in der Welt der Superhelden-Comics, in der sich Wanted bewegt.

Die Mutation vom Weichei zum Superhelden beginnt in einer Apotheke. Wesley will gerade seine Wochenration Psychopharmaka erwerben, als eine wilde Schießerei beginnt. Gerettet wird der Bürohengst von der schönen Kampfamazone Fox (Angelina Jolie), die mit ihm in einem roten Flitzer davonbraust und dem Entführten eine neue Existenz als Profikiller anbietet. Eine Beförderung vom Sesselpupser zum Hitman mit Angelina Jolie als Ausbilderin - wer kann da schon "nein" sagen? Zumal die Angelegenheit, wie der Leiter des traditionsreichen Mordunternehmens Sloan (Morgan Freeman) ausführt, ausschließlich der Rettung der Menschheit dient.

Eine alte Bruderschaft aus wohltrainierten Kampfmaschinen sorgt Undercover für Zucht, Recht und Ordnung. In einem abgelegenen Fabrikgebäude ist das Schicksal des Menschengeschlechts nämlich schon in Form eines gewebten Tuches vorherbestimmt. Und wenn man gaaaanz genau hinschaut, erkennt man hier und da einige Webfehler, die nach fachkundiger Dechiffrierung auf ungute Zeitgenossen verweisen, die dann wiederum von den geheimen Brüdern auf spektakuläre Weise abgeknallt werden.

Intelligente Drehbuchautoren hätten in diesen Plot vielleicht noch den ein oder anderen Subtext eingewoben, der auf die Ausweitung des Überwachungswahns, die Sehnsucht nach politischer Plan- und Vorhersehbarkeit und dem wuchernden Sicherheitsbedürfnis der Post-9/11-Gesellschaft verweist. Aber solch intellektuelle Doppelbödigkeit ist Bekmambetovs Sache nicht. Schon in seinem Kassenschlager Wächter des Tages hatte der Kasache sein Faible für testosteronlastige Stoffe ausgelebt und auch Wanted badet geradezu im gewalttätigen Machismo.

Lustvoll zelebriert Bekmambetov das sadistische Abhärtungstraining, in dem der Softie erst einmal ordentlich durchgeprügelt wird, bevor aus ihm ein Mordskerl werden kann. Zum maskulinen Selbstfindungsprozess gehören neben Schmerz- und Waffentraining, Mord und Totschlag auch die Suche - Achtung: Psychologie! - nach dem verlorenen Vater, der ebenfalls der dubiosen Bruderschaft angehört hat.

Die hohl drehenden Actionsequenzen und überladenen CGI-Kompositionen sehen aus, als hätten Effektdesigner eine Überdosis Steroide geschluckt. Ein solch lupenreines Männerfantasiegemälde, das mit seiner Kraftmeierei alle Peinlichkeitsgrenzen geradezu überrennt, hat man lange nicht mehr im Kino gesehen.

Martin Schwickert

USA 2008 R: Timur Bekmambetov B: Michael Brandt, Derek Haas, Chris Morgan nach dem Comic von Mark Millar und J. G. Jones K: Mitchell Amundsen D: James McAvoy, Morgan Freeman, Angelina Jolie