Wara No Tate - Die Gejagten

Geld vs. Moral

Actionspezialist Takashi Miike präsentiert einen eher ruhigen Thriller

Das jüngste Opfer des Kinderschänders Kiyomaru Kunhide war die Enkelin eines sehr reichen Mannes: Ninagawa Takaoki hat viel Geld und nur noch kurze Zeit zu leben. So setzt er über das Internet einen Mordaufruf ab. Wer den Mörder seiner Enkelin tötet, erhält eine Milliarde Yen. Das Angebot gilt ausdrücklich auch für Staatsdiener.

Kiyomaru, der sich bisher bei den Yakuza versteckte, die jetzt auch geil aufs Geld sind, stellt sich der Polizei in Fukuoka. Und weil der Film sonst schon zu Ende wäre, muss er nach Tokio gebracht werden, was die zentrale Filmhandlung darstellt. Eine Spezialistentruppe aus verschiedenen Polizeieinheiten muss den Perversling durch halb Japan transportieren, verfolgt von hemmungslosen Kopfgeldjägern (auch aus den Reihen der Polizei).

Es ist bemerkenswert, wie sehr der Action- und Splatterspezialist Takashi Miike, der durch ein paar wirklich widerliche Filme aufgefallen ist, hier die Action fast auf Null fährt und sich stattdessen viel Zeit nimmt, den Konflikt und die handelnden Personen zu beleuchten. Denn sosehr Wara No Tate unsere niederen Instinkte bedient und den Figuren und uns Zuschauern ungefähr alle fünf Minuten eine Szene präsentiert, die unterstreicht, dass dem fiesen Kindermörder der Tod zu wünschen ist, so präzise hält der Film einen kontrapunktischen Grundton aufrecht: Es kann nicht richtig sein, jemanden einfach zu ermorden, aus welchen Gründen auch immer.

Die Handlung konzentriert sich dabei auf das fünfköpfige Bewachungsteam, das den Genregesetzen folgend im Laufe des Films immer weiter reduziert wird. Der junge, engagierte Cop, der melancholische Witwer, die abgeklärte junge Polizistin, der weise Berater, der zynische Bulle - alle hätten ihre Gründe, sich nicht vor den Kinderkiller zu stellen und schützen ihn doch mit ihrem Leben. "Das ist das, was wir tun", sagt der melancholische Polizist, "wir beschützen Leute, egal wen".

Dass genau dieser Satz am Ende doch nicht richtig ist und trotzdem stimmt, gehört zu den wilden Volten des Drehbuchs, das in seiner Entwicklung nicht immer überrascht, aber die Geschichte und ihre Figuren niemals verrät. Die langen Dialogszenen und der eher gebremste Inszenierungsstil lassen Miikes Thriller wie eine Versuchsanordnung wirken. Übrigens eine, in der bei aller Ambivalenz eines deutlich wird: Moralischer Zerfall kann durch Geldangebote enorm beschleunigt werden.

Thomas Friedrich

Shield of Straw. J 2013 R: Takashi Miike B: Tamio Hayashi K: Kita Nobuyasu D: Nanako Matsushima, Tatsuya Fujiwara, Takao Ohsawa, Masato Ibu. 124 Min.