»WASHINGTON SQUARE«

Edel geliebt

Agnieszka Holland verfilmt Henry James

Die Geschichte ist einfach: New York, 19. Jahrhundert. Die etwas zu temperamentvolle und leider unattraktive junge Catherine Sloper, Tochter eines reichen und angesehenen Arztes, verliebt sich in den blendend aussehenden, aber hoffnungslos verarmten Townsend. Ihr Vater ist gegen die Heirat, hält er den Liebhaber doch für einen Erbschleicher. Daß er seine Tochter auch gar nicht so recht leiden kann, liegt mitunter daran, daß bei ihrer Geburt die Mutter zu Tode kam und er sie sowieso für strunzdoof hält. Während einer monatelangen Reise, auf der Dr. Sloper sich von seiner Tochter begleiten läßt, damit sie sich den Flieres endlich aus dem Kopf schlägt, reift Catherine zu einer selbstbewußten Frau heran. Sie entschließt sich nach der Rückkehr, ihren Liebsten zu ehelichen, auch ohne die Zustimmung des Vaters und ohne sein Geld. Doch irgendwie scheint Townsend von dieser Idee gar nicht begeistert.
Wem die Story wie Kolportage vorkommt, sollte sich schämen. Die Romanvorlage stammt nämlich von Henry James, bekannt für fein nuancierte Bilder und psychologisch hochdetaillierte Charakterzeichnungen. Und hier liegt die Krux dieser Verfilmung: Zwar hat Regisseurin Agnieszka Holland, die schon mit Total Eclipse ein Händchen für schwierige Charaktere bewies, sich viel strenger als seinerzeit William Wyler bei Die Erbin an die Vorlage gehalten (und tatsächlich gibt Jennifer Jason Leigh die Catherine überzeugender als Olivia de Havilland), aber sie wagte sich an einen Stoff, der sich einer Verfilmung durch seine psychologische Komplexität schlichtweg entzieht.
Man gab sich alle Mühe. Eine unaufdringliche und einfühlsame Kamera, die detailverliebte Ausstattung, das atmosphärisch geschickt eingesetzte Licht, ein gutes Casting, all das schafft es nicht, den Film zu mehr als einer unzureichenden Nacherzählung mit anderen Mitteln werden zu lassen. Wie beim Tao der Liebe gilt auch hier: Selbst gemacht, nicht nachgemacht. Nehmen Sie sich ruhig Zeit, lesen Sie das Buch.

Björn Marquardt