WALTZ WITH BASHIR

Unverwundbare Erinnerungen

Ein animierter Dokumentarfilm über den ersten Libanon-Krieg Israels

Während sein Freund Boaz nachts von Alpträumen geplagt wird, kann sich Ari kaum noch an die Vorkommnisse erinnern: Vor zwanzig Jahren haben die beiden in der israelischen Armee als junge Männer im Libanonkrieg gekämpft. Boaz wird in seinen Träumen von 26 Hunden verfolgt, denn die Dorfhunde wurden immer zuerst mit Schalldämpfer erschossen, damit sie die Einwohner nicht vor den herannahenden Eindringlingen warnen konnten.

In einer atemlosen Animationssequenz wird dieser Traum bebildert, aber der Mann, der davon erzählt, ist real. Der israelische Regisseur Ari Folman hat ein interessantes Experiment gewagt und seinen Dokumentarfilm über den ersten Libanonkrieg 1982 mit animierten Bildmaterial unterlegt.

Mit Waltz with Bashir untersucht Folman die eigenen posttraumatischen Verdrängungsmechanismen, mit denen er seine Kriegserlebnisse tief im Unterbewusstsein versenkt hat. Er interviewt frühere Kampfgefährten, rekonstruiert über persönliche Erinnerungen die Geschehnisse und hat durch das Animationsverfahren die Möglichkeit, das Erzählte adäquat zu bebildern. Folmans Verfahren ist bestechend, weil es sich in einem Genre, das stets Authentizität zu suggerieren versucht, zur Subjektivität der Erzählung bekennt. Ein Kriegsberichterstatter kann hier unverwundbar durch den Kugelhagel tanzen, weil der Soldat, der von der absurden Szene berichtet, sich genau so daran erinnert. Schichtweise legt der Film die verdrängten Erinnerungen frei und arbeitet sich in seiner Recherche an das fürchterlichste Ereignis des Libanonkrieges heran: Die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila, wo Verbände christlicher Falangisten im September 1982 über drei Tage hinweg etwa 3000 Männer, Frauen und Kinder grausam ermordeten, während die israelische Armee die Lager großräumig umzingelt hatte. Waltz with Bashir ist ein ergreifender Anti-Kriegsfilm, der keine Botschaften formuliert. Indem er die Ereignisse über facettenreiche Erzählungen rekonstruiert, stellt sich Folman auf interessante und mutige Weise der eigenen Erinnerung, Verantwortung und Mitschuld und entwirft dabei ein komplexes Bild davon, wie Verdrängungsmechanismen und Schuldgefühle im menschlichen Unterbewusstsein ineinander greifen.

Martin Schwickert

Israel 2008 R&B: Ari Folman