WELCOME TO PINE HILL

Ein Abschied

Eine melancholische Lebensbilanz

Es beginnt mit einem Dogfight, der dann doch kein Kampf wird. Und sich tatsächlich so zugetragen haben soll. Jedenfalls hat Keith Miller schon einen Kurzfilm darüber gemacht, wie er eines Abends einmal mit einem Hund, der ihm vor Monaten zugelaufen war, einem Nachbarn begegnete, der plötzlich behauptete, der Hund sei seiner. Er heiße auch nicht William, sondern Prince.

Genau so beginnt auch der Langfilm, und Autor/Regisseur/Darsteller Keith Miller streitet sich noch einmal mit dem echten Kontrahenten Shannon Harper.

Brisant wird die alltägliche Episode nur, weil Miller weiß und eher schmächtig, Harper aber schwarz ist, groß und umfangreich. Außerdem führt er gleich ins Feld, er komme aus einer Welt, in der man Menschen nur so im Vorbeigehen erschieße, da hänge man doch keine Suchmeldungen über verlorene Hunde auf. Und für 250 Dollar würde er vielleicht auf seinen Besitzanspruch verzichten. Mit so einem will keiner Streit, und doch einigen sich die Hundeliebhaber. Keith darf William mit nach Hause nehmen, weil er verspricht, demnächst das Geld vorbei zu bringen. Ganz überraschend endet der Konflikt mit einem Handschlag.

Der gibt den versöhnlichen Grundton vor, mit dem der sanfte Riese Shannon Harper durch den langen Rest des Films treibt. Früher hat er mal Drogen verkauft, heute arbeitet er nachts als Türsteher und tagsüber als Sachbearbeiter bei einer Autoversicherung. Offenbar hat er genug Elend gesehen, um nun bei der Schadensregulierung vergleichsweise nett zu sein und die Gewalt im Zweitjob nur mühsam zu ertragen.

Dann kriegt er eine vernichtende Diagnose: seine Bauchschmerzen sind Magenkrebs, eine Krankenversicherung hat er nicht, eine Chemotherapie ist zu teuer, in sechs Monaten ist Schluss.

Trotzdem verändert der Film sein Tempo nicht. Fast unbewegt, aber doch mit kleinem, feinen Mienenspiel macht sich Harper daran, sein verpfuschtes Leben halbwegs in Ordnung zu bringen. Ohne irgend jemanden mit seinem Schicksal zu belästigen zahlt er Schulden an seine Mutter zurück, trifft sich mit Bekannten aus seinem früheren Leben und völlig Fremden. Manchmal liegt, wie im Vorspann, eine Ahnung von Gefahr in der Luft, manchmal quillt unbemerkt eine Träne, und ganz am Ende rettet sich die Geschichte ohne Plot und Drama, und ohne Hund, in eine Andeutung von Transzendenz. Harper verschwindet im Catskill Park, in der Nähe des Dorfes Pine Hill.

Wing

USA 2012. R + B: Keith Miller K: Begonia Colomar, Lily Henderson, Alex Mallis, Eric Phillips Horst D: Keith Miller, Shannon Harper, Junior Adolph, Jaiden Kaine