WHITE NOISE

Ohne Decoder
Nachrichten aus dem Jenseits gibt's jetzt per Antenne

Die Liste der Kinofilme, die sich um einen direkten Kontakt zum Jenseits bemühen, ist lang. Bruce Willis wandelte in The Sixth Sense durch das Reich der Toten und musste am Ende feststellen, dass er selbst nicht mehr zu den Lebenden gehört. Gerade erst versuchte Nicole Kidman in Birth dem Tod ein Reinkarnations-Schnippchen zu schlagen. Es sind die Fantasmen, die aus Trauer und Verlust entstehen, denen sich diese Filme, immer wieder zwischen Geistergeschichte, religiöser Erbauungslehre und Psychoanalyse pendelnd, verschreiben.
Geoffrey Sax' White Noise hält den Ball deutlich flacher. Das Setting ist das Übliche: Am Morgen wedelt die geliebte Frau und Bestsellerautorin Anna Rivers (Chandra West) hoffnungsfroh mit dem eingefärbten Schwangerschaftstest, haucht durch das Autofenster ihrem Architektengatten Jonathan (Michael Keaton) noch ein "Ich liebe dich" zu und verschwindet für immer aus dessen Leben. Erst nach Wochen findet man ihre Leiche am Fluss, und eines Tages steht ein untersetzter Mann vor Jonathans Tür und behauptet eine Botschaft von Anna aus dem Äther erhalten zu haben. Das Verfahren nennt sich Electronic Voice Phenomen (kurz EVP). Auf dem Bildschirm sieht das ein bisschen so aus, als wolle man Premiere ohne Decoder und Antenne empfangen, und die Tonspur klingt wie ein Autoradio im Montblanc-Tunnel.
Statt seine trauernde Seele einen Psychotherapeuten zu übergeben, schafft sich Jonathan ein Hi-Tech-Equipment an, mit dem er nun zu seiner jenseitigen Geliebten Kontakt aufnimmt. Früher hat man wenigstens noch bei Kerzenlicht händchenhaltend im Kreis gesessen, um mit dem Reich der Toten zu kommunizieren. Heute hängen die Hinterbliebenen Nacht für Nacht vor ihrer Sony-Multimedia-Burg, um den Äther nach der Verwandtschaft zu durchforsten. Das ist möglicherweise ein vielversprechender Markt für die kriselnde Mediabranche, aber besonders kinotauglich sind die ausufernden Hi-Tech-Séancen vor verschneiten Monitoren nicht.

Martin Schwickert
USA/CAN/GB R: Geoffrey Sax B: Niall Johnson K: Chris Seager D: Michael Keaton, Chandra West, Deborah Kara Unger