HERR WICHMANN VON DER CDU

Elend und Komik

Andreas Dresen beobachtet einen Kommunalpolitiker

In der brandenburgischen Uckermark weht ein böiger Wind. Sogar im Sommer. Wer hier einen Sonnenschirm aufstellen will, hat seine liebe Mühe. Ein nahezu aussichtsloser Kampf, auf den sich Henryk Wichmann da eingelassen hat. Denn er will nicht nur seinen CDU-Schirm aufstellen, sondern auch eine Wahl gewinnen. Etwas unbeholfen storcht der junge Direktkandidat durch die verwaiste Fußgängerzone. Vorbeifahrende Radfahrer greifen wortlos die Kugelschreiber ab, die hier mehr interessieren als Wahlprogramme. Die Uckermark liegt im östlichsten Osten der Republik. Die Arbeitslosenquote von 25% ist hier höher als das Wahrergebnis der CDU. Der sozialdeemokratische Gegenkandidat sitzt mit 52% sicher im Sattel.

Mit dem Eifer eines Don Quichotte versucht Wichmann auf den demokratischen Willensbildungsprozess Einfluss zu nehmen. "Zeit für Taten" steht oben auf dem neuen Plakat. Unten einfach nur: "Wichmann wählen!". Dazwischen das unfertige Gesicht des jungen Kandidaten und ein Blick, der sich vergeblich um eine tatkräftige Aura bemüht.

Einen Wahlkampfsommer lang hat der Filmemacher Andreas Dresen (Halbe Treppe) den 25jährigen Nachwuchspolitiker begleitet. Keine Interviews. Nur Beobachtungen, bei denen die Kamera für alle sichtbar platziert war.

Wichmann tingelt wie ein Handlungsreisender mit seinem Daimler durch das Land. Plakate, Postkarten, Broschüren bezahlt der angehende Jurist und werdende Vater aus eigener Tasche. Aber nur wenige Sympathisanten und ein paar Einsame suchen das Gespräch. Nach einer Wahlkampfveranstaltung in einem trostlosen Imbiss an der Landstraße wird die Nationalhymne gesungen, wobei der Alkoholeinfluss bei den wenigen Teilnehmern für deutliche Textunsicherheiten sorgt.

Ähnlich wie in Halbe Treppe besticht Dresen auch hier durch seinen Blick für die Komik des Alltäglichen. Aber schon bald vergeht einem das Lachen wieder, etwa beim Anblick des sozialen Elends in einem Altenpflegeheim. Hier verstummt sogar Wichmanns hilflose Parteirethorik, die sich sonst so hemmungslos dem Wahlvolk anbiedert. Vom äußersten Rand der Republik schaut Andreas Dresen auf die Zustände in unserer Gesellschaft, in der sich Politiker hoffnungslos dem Populismus verschreiben und bei den Wählern damit auf eine immer größere Gleichgültigkeit treffen. Aus dieser Scherenbewegung ergibt sich die unmittelbare Komik des Films, aber auch seine bedrückende politische Wahrheit.

Martin Schwickert

D 2003 R&B: Andreas Dresen K: Andreas Höfer