Herr Wichmann aus der dritten Reihe

Mühen der Ebenen

Demokratische Basisarbeit kann auch putzig aussehen

Auf verlorenen Posten stand Henryk Wichmann, als er 2002 für die CDU als Direktkandidat für den Bundestag in der brandenburgischen Uckermark, wo die Arbeitslosigkeit hoch und das Land dünn besiedelt ist, in den Ring stieg. Und Andreas Dresen schaute dem Jungpolitiker mit seinem Dokumentarfilm Herr Wichmann von der CDU dabei zu. Die Wahl hat Wichmann damals verloren, aber durch den Film wurde er weit über die uckermärkischen Verbandsgemeindegrenzen hinaus bekannt. Zehn Jahre später sitzt er als Nachrücker im Potsdamer Landtag und Dresen hat ihn noch einmal ein Jahr lang von einer parlamentarischen Sommerpause zur nächsten mit der Kamera begleitet.

Seinen unkaputtbaren Optimismus hat sich der CDU-Mann bewahrt, und das wirkt in einer Politiklandschaft, die vornehmlich aus der Perspektive des Zynismus wahrgenommen wird, erst einmal urkomisch. Für Wichmann steht das Engagement an der Basis an erster Stelle. Drei Bürgerbüros unterhält er in seinem Wahlkreis und zur Eröffnung bekommt er reichlich Topfpflanzen geschenkt. Kreuz und quer reist er durch die brandenburgische Provinz und hört sich die Sorgen der Leute an. Von der Schulklasse bis zum Seniorentreff, vom Hartz4-Empfänger, dem eine größere Wohnung verweigert wird, bis zu den mittelständischen Unternehmern, die keine Lehrlinge finden, die 9 durch 3 ohne Zuhilfenahme des Handys ausrechnen können.

Die Probleme in der Provinz wirken oft absurd. Da verhindern Naturschützer den Bau eines asphaltierten Fahrradweges, weil ein Schreiadler in der Nähe nistet, der sich an der benachbarten Autobahn nie gestört hat. Fünfzehn Jahre lang währt schon der Konflikt, ob Segelboote mit Hilfsmotor den Verbindungsfluss zwischen Oberem und Unterem Uckersee befahren dürfen. Manchmal gelingt es dem Abgeordneten ein Problem über den kurzen Dienstweg aus der Welt zu schaffen. Dass im Örtchen Vogelsang die Prignitzer Eisenbahn zwar anhält, aber die Türen nicht öffnen, hat ein Ende, nachdem Wichmann den verkehrspolitischen Sprecher des Landtags auf eine Tour mit dem Bummelzug einlädt.

Mit augenzwinkerndem Humor blickt Dresen auf die Windmühlenkämpfe seines brandenburgischen Don Quichottes, ohne sich über den rethorisch geschulten, aber auch immer etwas linkisch auftretenden Politiker lustig zu machen. Dass Demokratie ein mühsames Geschäft ist, zeigt der Film aus der Untersicht eines Idealisten, der seinen Job als Volksvertreter ernst nimmt und in jungen Jahren schon ein wenig anachronistisch wirkt.

Martin Schwickert

D 2012 R&B: Andreas Dresen K: Andreas Höfer, Michael Hammon