DER KRIEG DES CHARLIE WILSON

True Crime

Die ganz normale Verbrechen der US-Außenpolitik

Tief hinter die Kulissen schaut Regisseur Mike Nichols in seiner Politkomödie, die die Machenschaften des texanischen Kongressabgeordneten Charlie Wilson beleuchtet, der an der Nahtstelle zwischen Kongress und Geheimdienst Ende der 80er Jahre die Fäden der amerikanischen Außenpolitik gezogen hat. "Based on a True Story" steht auch hier im Vorspann, und wenn das stimmt, haben weder Ronald Reagan noch Michail Gorbatschow das Ende des Kalten Krieges herbeigeführt, sondern eine Handvoll Lobbyisten und Geheimdienstmitarbeiter.

Charlie Wilson ist ein unauffälliger liberal-demokratischer Kongressabgeordneter, der weniger wegen seines politischen Profils als durch die Hilfe eines weit verzweigten Netzes gegenseitiger Gefälligkeiten an die Schaltstellen der Macht gelangt ist. Als die Rote Armee in Afghanistan einmarschiert, werden in ihm gute, alte antikommunistische Instinkte geweckt. Während im Weißen Haus und in den Chefetagen des CIA eher halbherzig gegen den imperialistischen Zugriff der Sowjetunion interveniert wird, entwickelt sich Wilson nach dem Besuch eines Flüchtlingslagers in Pakistan zum glühenden Unterstützer des afghanischen Widerstandes.

Im Verein mit der erzkonservativen Millionärin Joanne Herring (Julia Roberts) und dem versierten CIA-Kommunistenjäger Gust Avrakotos (Philip Seymour Hoffman) macht sich der rührige Senator daran, die Kämpfer der afghanischen Mudschaheddin mit hochwertigen Panzer- und Luftabwehr-Raketen auszurüsten. Ihm gelingt es durch geschicktes politisches taktieren die geheime US-Militärhilfe von 1 Millionen auf 1 Milliarden aufzustocken.

Süffisant zeichnet Regisseur Mike Nichols ein illustres Bild von den politischen Entscheidungsstrukturen, wo eine Hand die andere wäscht und der Einsatz einer Bauchtänzerin jahrzehntelange Spannungen im Nahostkonflikt auflösen kann.

Dennoch hätte man sich das etwas schärfer formuliert vorstellen können. Tom Hanks bringt seinen Hallodri zwar kräftig zum Leuchten, findet aber nicht den Mut, die unsympathischeren Seiten des allzu lässigen Politpokerspielers herauszuarbeiten. Die bittere Ironie, dass die USA in Afghanistan Freischärler hochgerüstet hat, die heute die Waffen gegen ihren Zweckbündnispartner richten, wird als Pointe erst kurz vor dem Abspann verhandelt.

Von der Schuld am nachfolgenden Bürgerkriegs-Desaster in Afghanistan wird der versierter Polittaktiker Wilson frei gesprochen. Die wird den übergeordneten Strategen im Pentagon und Weißen Haus in die Schuhe geschoben, um den illustren Kinohelden nicht zu beschädigen.

Martin Schwickert

Charlie Wilson's War. USA 2007 R: Mike Nichols B: Aaron Sorkin K: Stephen Goldblatt D: Tom Hanks, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffman