Wir sind die Neuen

Alte Hippies

Gisela Schneeberger zieht in eine WG

Wir können euch nicht helfen" ist das Erste, was die Studenten aus der WG zu den neuen Nachbarn sagen, als die sich bei ihnen vorstellen wollen. Anne (Gisela Schneeberger), Eddi (Heiner Lauterbach) und Johannes (Michael Wittenborn) schauen etwas verdutzt drein. Ihnen war bisher nicht bewusst, dass sie einen besonders hilfsbedürftigen Eindruck machen. Okay, sie haben die 60 überschritten, aber fühlen sich doch noch weit vom Rollator-Dasein entfernt.

Die drei Jugendfreunde haben sich zusammengetan, um ihre alte Wohngemeinschaft zu reanimieren. Das Leben nach den wilden Jahren in den Siebzigern war nicht immer nett zu ihnen. Ehen sind in die Brüche gegangen. Durch Langzeitstudium, späten Einstieg ins Berufsleben und schlecht bezahlte, sozial engagierte Jobs bleibt ihnen der Alterswohlstand verwehrt. Die hohen Mieten in München können sie sich nicht mehr leisten, und das Alleinleben ist ohnehin keine besonders prickelnde Perspektive. Und so klappert Anne die alten WG-Genossen ab und findet in Eddi und Johannes Gleichgesinnte, die die alten Zeiten mit langen Nächten, wilden Diskussionen und einer Menge Wein am Küchentisch noch einmal aufleben lassen wollen.

Auch wenn man sich an die neuen und alten Eigenheiten erst einmal gewöhnen muss und sich die Partystimmung vergangener Tage nicht bruchlos wieder herstellen lässt, ist die WG für die drei Ü60er ein viel versprechender Neuanfang. Allerdings sind die Nachbarn schwer genervt von der lärmenden Kommune. Die jungen, karriereorientierten Studenten lernen lieber fürs Examen.

Generationskonflikt einmal andersherum - das ist eine durchaus charmante Grundidee, die Ralf Westhoff (Der letzte schöne Herbsttag) hier aus dem demographischen Zustand unserer Gesellschaft herausfiltert. Schließlich geht gerade die Generation "Studentenrevolte" in Rente und da kann es schon einmal vorkommen, dass die Alten cooler drauf sind als so mancher Jungspund. Aber um die Konstellation zu einem amüsanten und spannenden Match auszubauen, müssten beide Lager mit derselben erzählerischen Sorgfaltspflicht behandelt werden, und das ist hier leider nicht der Fall. Mit sympathisierender Genauigkeit schildert Westhoff das Leben der Alten, die als Kinder ihrer Zeit nicht aufhören wollen, sich jung zu fühlen. Die Widersprüchlichkeiten, die sich daraus ergeben, werden in schlagfertigen Dialogen humorvoll herausgearbeitet. Aber während die Senioren in aller Fehlbarkeit als liebenswerte Zeitgenossen gezeichnet werden, erscheinen die Jungen als Zombies der modernen Leistungsgesellschaft. Die herzkalten Respektlosigkeiten, die sie den Alten in zynischer Diktion um die Ohren hauen, sind pointiert formuliert, aber auch unglaubwürdig. Ohnehin erkennt man schon bald, dass die Jungen nur deshalb so verspannt sein müssen, damit die Alten ihnen zeigen können, wie man sich richtig locker macht.

Als Porträt der vergreisenden Hippie-Generation funktioniert Wir sind die Neuen bestens. Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach und vor allem Michael Wittenborn beweisen ein gesundes Maß an Selbstironie und sind mit sichtbarer Spielfreude dabei. Aber durch die allzu plakative Kontrastierung der coolen Alten mit den Nachwuchsspießern entwickelt sich der interessante Ansatz schon bald zu einer eher schalen Angelegenheit.

Martin Schwickert

D 2014 R & B: Ralf Westhoff K: Ian Blumers D: Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach, Michael Wittenborn. 91 Min.