Wolfsbrüder

Fremde Gefährten

Eine Mischung aus Naturdrama und Melodram

Gerade einmal sieben Jahre alt ist Marcos (Manuel Camacho), als der Vater ihn an den Großgrundbesitzer verkauft. In den ländlichen Regionen Spaniens war dies während der fünfziger Jahre noch eine durchaus gängige Praxis, für die armen, kinderreichen Bauernfamilien bedeutete jeder Esser weniger am Tisch eine existenzielle Erleichterung. Der Patron schickt den Jungen als Ziegenhirten in das "Tal der Stille" tief in den Bergen der Sierra Morena. Vollkommen abgeschieden von der Zivilisation lebt dort der alte Atanasio (Sancho Gracia) in einer Höhle. Der soll den Siebenjährigen ins Hirtenhandwerk und vor allem ins Überleben in der Wildnis einweisen.

Der Einsiedler redet nicht viel und wirft Marcos anfangs ein totes Kaninchen vor die Füße, dem der hungrige Junge selbst das Fell abziehen soll. Schon bald aber findet Atanasio Gefallen an seinem neuen Höhlenmitbewohner und zeigt ihm, wie man mit einem Frettchen Kaninchen fängt, Fische im Bach angelt, Fallen für Vögel aufstellt, Verletzungen mit Kräuterumschlägen heilt und sich mit den Wölfen gut stellt, die im Tal leben.

Dann wird der alte Mann krank und stirbt und der Junge ist auf sich allein gestellt. Als Marcos kurz vor dem Verhungern ist, legt ihm einer der Wölfe ein Stück Fleisch vor die Höhle. Fortan lebt der Junge, der sich vor den Häschern des Großgrundbesitzers flüchtet, mit Unterstützung der Wölfe allein in der Wildnis. Wolfsbrüder des spanischen Regisseurs Gerardo Olivares beruht auf wahren Begebenheiten. Zwölf Jahre lang lebte Marcos Rodriguez Pantoja vom Kindes- bis zum Mannesalter allein mit den Wölfen in den Bergen der Sierra Morena. Mit dem Dasein in der Zivilisation ist er nie wirklich zurecht gekommen, aber davon erzählt Wolfsbrüder nicht. Denn anders als Truffauts Der Wolfsjunge (1970) ist dies nicht die Geschichte der Wiedereingliederung eines verwilderten Menschen ins gesellschaftliche Normgefüge. Vielmehr konzentriert sich Olivares auf den Prozess der Integration in die freie Natur. Dabei vermischt der Film sehr überzeugend naturdokumentarische Aufnahmen mit Spielfilmelementen, auch wenn die Dramaturgie der Geschichte dabei recht überschaubar bleibt.

Martin Schwickert

Entrelobos. Spanien/D 2010 R&B: Gerardo Olivares K: Óscar Durán D: Manuel Camacho, Sancho Gracia, Carlos Bardem