WOMEN WITHOUT MEN

In meinem Garten

Ein poetisch verwuselter Film über Frauen in der iranischen Männergesellschaft

Iran im August des Jahres 1953: Mit Unterstützung der USA und Großbritanniens wird der demokratisch gewählte Staatschef Mohammad Mossadeq durch einen Putsch gestürzt und der Schah an die Macht gebracht.

Vor dem Hintergrund der Unruhen gegen den Staatsstreich setzt die in den USA lebende iranische Regisseurin Shirin Neshat ihre poetische Zeitreise in Szene. Im Zentrum stehen vier Frauen, die auf verschiedene Weise ihrer festgefahrenen Situation zu entfliehen suchen. Die junge Prostituierte Zarin flüchtet überstürzt aus dem Bordell und irrt verstört durch die Straßen Teherans. Munis will sich den politischen Aktivisten auf der Straße anschließen, aber ihr Bruder verhängt für die unverheiratete Frau eine Ausgangssperre. Ihre Freundin Faezeh kommt aus einer traditionell muslimischen Familie und interessiert sich nicht für die politischen Ereignisse um sie herum, sondern nur für Munis streng gläubigen Bruder, in den sie sich heimlich verliebt hat. Fakhri bricht mit ihrem leeren Leben als Offiziersgattin und erwirbt vor den Toren der Stadt einen verwunschenen Garten, der auch schon bald für die anderen Frauen zum Zufluchtsort wird.

Zwei Welten stellt Neshat in ihrem Film kontrastierend gegenüber. Auf der einen Seite die Stadt, in der sich die Anhänger Mossadeqs mit dem Militär blutige Straßenschlachten liefern. Stilisiert zeichnet Neshat die historische Realität des Jahres 1953. Die Protestierer sind mit weißen Hemd und schwarzen Hosen ebenso uniformiert wie die Soldaten. Ob Militär, Aufrührer oder betende Muslime - immer wieder stellt Neshat die homogen bedrohlichen Männergruppen den Frauenfiguren gegenüber, die von den Unruhen durch die Straßen getrieben werden.

Auf der anderen Seite steht der Garten als poetischer Zufluchtsort, in dem die Frauen zu sich selbst finden. Die üppige Fauna hinter den Mauern verschwimmt hier zu einem mystischen, symbolbeladenen, weiblichen Refugium, in dem Traum, Wirklichkeit und Fantasie nicht mehr voneinander zu trennen sind.

Man erkennt in Neshats Kinodebüt, das in Venedig mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, deutlich die Vergangenheit der Regisseurin als Videokünstlerin, die sich allen naturalistischen Konventionen verweigert, ihre Bilder reichhaltig mit Symbolen bestückt und in die Geschichte immer wieder neue allegorische Bedeutungsebenen einzieht. Mit ihrer Mischung aus Poesie und Politik, in der etwa die Wiederauferstehung einer Figur als politische Kämpferin mit vollkommener Selbstverständlichkeit verhandelt wird, entwickelt Neshat eine sehr eigensinnige und originelle Kinohandschrift. Allerdings geht der Wille zur Kunst auch auf Kosten der Frauenfiguren, deren Bild als leidendes Geschlecht deutlich überstrapaziert wird und die durch die Stilisierung als menschliche Charaktere nur schwer fassbar sind.

Martin Schwickert

Zanan-e bedun-e mardan D/AU/F 2009 R: Shirin Neshat B: Shirin Neshat, Shoja Azari K: Martin Gschlacht D: Pegah Ferydoni, Arita Shahrzad, Shabnam Tolouei, Orsi Tóth