DIE WUTPROBE

Irre unter sich

Jack Nicholson im Clinch mit Adam Sandler

Gerade erst hat der Weichspül-Komiker Adam Sandler für seine ungewohnt tiefgründige Vorstellung in Punch-Drunk Love internationales Kritikerlob eingesammelt. Und gerade erst hatte man sich auch über Jack Nicholson gefreut, der mit About Schmidt im Alter sein festgefahrenes Schauspielerprofil noch einmal über Bord warf. Da kommt ein Film wie Die Wutprobe daher, der die beiden zusammenführt und allen Glauben an die Flexibilität des Starsystems zunichte macht. Das amerikanische Mainstream-Kino krankt vor allem am mutlosen Umgang mit seinen Schauspielern. Hat sich ein Leinwandimage einmal an der Kasse durchgesetzt, wird es gemolken bis zur vollkommenen Auszehrung des Wirtskörpers.

Adam Sandler ist hierfür ein Paradebeispiel. Ob in Eine Hochzeit zum Verlieben, Waterboy oder Little Nicky - Sandler spielt immer den netten Kindskopf von nebenan. Seine Rolle in Peter Segals Die Wutprobe entfernt sich nicht einen Millimeter von der Schablone. Traumatische Kindheitserlebnisse mit dem anderen Geschlecht und dem eigenen Gemächt haben Dave Buznik zu einem verklemmten Weichling heranwachsen lassen. Bei der Beförderung wird er regelmäßig übergangen, und die Vorstellung, seine reizende Lebensgefährtin Linda (Marisa Tomei) in aller Öffentlichkeit zu küssen, versetzt den Mittdreißiger in Angst und Schrecken.

Auf einmal scheint sich die ganze Welt gegen den friedliebenden Mitbürger verschworen zu haben. Auf einem Inlandsflug eskaliert unverhofft ein harmloses Gespräch mit der Stewardess zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Der friedliebende Dave wird zu einer Geldstrafe verurteilt und muss am Anti-Gewalt-Training von Dr. Buddy Rydell (Jack Nicholson) teilnehmen. Der unorthodoxe Psycho-Guru ordnet Dave als "implosiven" Charakter ein, der nur im therapeutischen Nahkampf geheilt werden kann. Deshalb zieht Rydell ins Apartment des Klienten und macht ihm mit einem ausgefeilten Provokationsprogramm das Leben zur Hölle.

Natürlich spielt Nicholson Sandler an die Wand. Schließlich hat er fast ein Leben lang die Rolle des Exzentrikers in allen Variationen durchbuchstabiert. Ähnlich wie Robert De Niro in Reine Nervensache streicht Nicholson die Zinsen aus seinem Kapital als Leinwandlegende ein, ohne neu in die Rolle investieren zu müssen. Um von der müden Vorstellung seiner Stars abzulenken, reiht Regisseur Segal (Der verrückte Professor 2) einen Cameo-Auftritt an den anderen: Woody Harrelson als Tunte, John Turturro als glutäugiger Grenada-Veteran, John C. Reilly als schlagkräftiger Buddhist, Heather Graham als vermeintlich leichtes Mädchen, ja sogar der ehemalige Bürgermeister von New York Rudy Giulliani hat einen Gastauftritt. Wer so viele Promis zu seiner Fete einlädt, hat meistens etwas zu verbergen. Zum Beispiel ein Skript, bei dem man nicht merkt, wenn ein paar Seiten falsch zusammengetackert sind. Ohne Gespür für komödiantisches Timing klebt Drehbuchautor David Dorfman die Pointen aneinander, lotet das Potenzial seiner Figuren mit dem Flaschenkorken aus und ertränkt die Geschichte schließlich im kitschigen Hochzeitsglockenfinale. Deshalb: lieber noch mal About Schmidt und noch mal Punch-Drunk Love ansehen, als einmal Die Wutprobe durchstehen zu müssen.

Martin Schwickert

Anger Management USA 2003 R: Peter Segal D: David Dorfman K: Donald M. McAlpine D: Adam Sandler, Jack Nicholson, Marisa Tomei