X-MEN

Die üblichen Verdächtigen

Das Mutantenkorps räumt auf

Sie sind wieder unter uns, und sie kommen diesmal nicht aus dem All, sondern aus dem Genpool. Ein kleiner Evolutionssprung hat den Mutanten in Bryan Singers X-Men allerhand unglaubliche Fähigkeiten beschert: Cyclops (James Marsden) kann mit seinem Laserblick ganze Häuserblocks einschmelzen, Kollegin Storm (Halle Berry) hat die meteorologische Wettergestaltung voll im Griff, und ihr Chef Xavier (Patrick Stewart) kann mit der Präzision eines Nachrichtensatelliten die Gedanken weit entfernter Menschen lesen.

Xavier ist der Anführer der guten Mutanten, die auf eine friedliche Koexistenz mit den Normalos hoffen. Die zurückgebliebene Menschheit reagiert äußerst hysterisch auf das Mutantenphänomem, und der reaktionäre Senator Kelly (Bruce Davison) ruft zu einer weltweiten Fatwa gegen die neue Spezies auf. Auf der anderen Seite steht Magneto (Ian McKellen), Mutant der ersten Stunde, Spezialist für Metallbiegearbeiten im großen Stil und Überlebender der deutschen Konzentrationslager. Die Erfahrung lehrt ihn, den Menschen zu misstrauen, und er will alle Homo Sapiens in ein Mutantenheer verwandeln.

Schon 1963 kamen die ersten X-Men -Comics in den USA heraus, und auch heute sind sie noch fester Bestandteil der dortigen Pop-Kultur. Die X-Men -Figuren haben den Geist der 60er Jahre tief eingesogen. Der gewaltfreie Xavier und der militante Magneto kamen damals als Science Fiction-Ausgaben von Martin Luther King und Malcolm X auf den Markt, die Figur des Senators erinnert deutlich an den Kommunistenhasser McCarthy. Aber nicht nur der emanzipatorische Geist verschaffte der Comic-Serie Kultstatus. Batman und Superman waren die Beschützer für die Kleinen. Mit den andersartigen X-Men -Helden, die in ihrer Jugend langsam und schmerzhaft ihre Mutantenfähigkeiten entdecken, konnten sich pubertierende Teenager über Generationen hinweg identifizieren.

Regisseur Bryan Singer übersetzt nun die Comicvorlage als schillerndes High-Tech-Spektakel effektsicher in die Sprache der Multiplex-Jugend. Liebevoll sind die Figuren mit ihren skurrilen Eigenheiten auf die Leinwand übertragen worden. Selbstironische Dialoge sorgen dafür, dass das Heldentum nicht überhand nimmt, und bei der finalen Schlacht auf symbolträchtigem Terrain wird die gute alte Freiheitsstatue erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Trotz toleranzwerbender Botschaft und politischen Verweisen driftet der Film nie ins Oberlehrertum ab. Im Vordergrund steht das Spiel mit den unendlichen Möglichkeiten, die eine Comic-Story im modernen Digital-Kino eröffnet. Das hat allerdings auch zur Folge, dass sich die Logik der Geschichte gegen Ende im Spektakel verliert. Bei einem Produktionsbudget von 75 Millionen hätte man auch noch ein paar Dollar in die Überarbeitung des Drehbuches investieren können.

Martin Schwickert

X-Men USA 2000 R: Brian Singer B: David Hayter. K: Newton Thomas Sigel. D: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Ian McKellen.